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Gefährlicher Sommer

Titel: Gefährlicher Sommer
Autoren: Bastei Lübbe
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    Mitten in der Nacht wachte Tom auf. Er spürte stechende Kopfschmerzen und Übelkeit. Als er sich vorsichtig aufsetzte, wurde ihm sogleich schwindelig. Sein Gesicht glühte.
    Ich kann doch nicht wirklich krank sein, dachte er entsetzt.
    Schon am Abend war es ihm nicht gut gegangen. Er hatte sich müde gefühlt und keinen Hunger gehabt, bei jeder Bewegung war ihm sofort der Schweiß ausgebrochen. Als er dann im Bett war und nach alter Gewohnheit noch hatte lesen wollen, hatten seine Augen zu tränen begonnen. Er war jedoch wild entschlossen gewesen, niemandem etwas zu erzählen; schließlich hatten die Sommerferien gerade erst begonnen, und auf der Eulenburg, der Ferienreitschule seiner Eltern, waren bereits alle Sommergäste eingetroffen. Nicht einen Tag mochte er versäumen. Er durfte jetzt nicht krank werden!
    Auf einmal zweifelte er jedoch daran, ob es ihm gelingen würde, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Mühsam erhob er sich, schlich aus dem Zimmer über den Gang zum Bad. Im Spiegel sah er ein blasses Gesicht mit großen, unnatürlich glänzenden Augen. Hoffentlich, überlegte er, ist es nur eine Erkältung. Die geht wenigstens einigermaßen schnell vorbei.
    Vorläufig erfährt niemand etwas, schwor er sich. In ein paar Tagen habe ich es überstanden.
    Mit steifen, schmerzenden Knochen kroch er in sein Bett zurück und atmete erleichtert auf, als er seinen Kopf niederlegen konnte. Noch nie im Leben hatte ihm etwas so weh getan.
 
    Als Tom am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich noch elender als in der Nacht. Der ganze Körper tat ihm weh. Seine Zunge schien ihm trocken wie Watte und angeschwollen. Stöhnend kletterte er aus dem Bett.
    Ich bin doch richtig krank, dachte er matt und spürte, wie sein Wille, die Angelegenheit zu vertuschen, schwächer wurde. Wenn das so weiterging, würde es ihm bald egal sein, ob Sommerferien waren oder nicht.
    Im Bad entdeckte er dann einen roten Ausschlag an Hals, Schultern und Oberarmen. Wenn es sich nicht um eine Allergie handelte - und er hatte nie an Allergien gelitten -, musste es eine Kinderkrankheit sein. Windpocken ... die fingen seines Wissens hinter den Ohren an. Mit einer komplizierten Verrenkung und unter Zuhilfenahme zweier Spiegel begutachtete er die entscheidende Stelle. Nein, hinter den Ohren konnte er nichts finden. Er überlegte, dass er nach unten gehen und in einem Lexikon nachsehen könnte; vielleicht fände er dort eine Krankheit, auf die seine Symptome passten. Aber noch ehe er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte, wurde ihm wieder schwindelig. Er setzte sich auf den Badewannenrand und wartete, dass das Rauschen in seinem Kopf nachließe. Ihm wurde klar: Er war so krank, dass er es nicht einmal schaffen würde, hinunter in das Büro seiner Mutter zu gehen und ein Buch aus dem Regal zu ziehen.
    Gerade als er das Bad verließ, begegnete er Kathrin. Das Mädchen gehörte zu den Feriengästen auf der Eulenburg, war schon zum dritten Mal hier und neigte dazu, Schwierigkeiten zu machen, weil ihm das Leben auf dem Reiterhof nicht vornehm genug war. Heute allerdings sah Kathrin nicht so aus, als werde sie ihr übliches Gejammere beginnen. Ihre Miene war kläglich.
    »Tom, ich weiß nicht, was mit mir los ist! Mir ist so schlecht! Ich habe so furchtbares Kopfweh, und mir ist ganz heiß!«
    Tom starrte sie an. »Du auch?«
    »Was heißt - ich auch?«
    »Mir geht es auch nicht gut. Ich habe auch so einen komischen Ausschlag am ganzen Körper.«
    »Ich auch«, gestand Kathrin. Ihre Wangen waren fiebrig gerötet. »Tom, wir müssen es deiner Mutter sagen.«
    »Ja ... du hast recht. Leg dich erst mal wieder ins Bett, Kathrin. Ich sage meiner Mutter Bescheid.«
    Er wartete das Vorübergehen einer neuen Schwindelattacke ab, ehe er sich auf den Weg die Treppe hinunter machte.
    Kathrin und ich, dachte er, und noch ein paar Tage, dann haben es alle, was immer es ist. O Gott, diese Scheißkrankheit wird uns allen die Ferien hier verderben!
    Seine düstere Ahnung sollte sich als absolut richtig erweisen.
    Draußen schien strahlend die Sonne. Ein leichter, frischer Wind wehte vom nahen Meer her ins Land und sorgte dafür, dass es nicht zu heiß wurde. Die Bäume standen in vollem Laub, die Äpfel färbten sich rot und die Birnen gelb. Auf den weiten Koppeln grasten die Pferde. Vom Meer her strichen Möwen kreischend ins Land, flogen tief über Hof und Stallungen hinweg, hoben sich dann wieder hoch in den Himmel und verschwanden als kleine weiße Punkte am
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