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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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sie kopfschüttelnd zu ihrer Tochter. „Du hast tatsächlich das Medaillon von Papas Mutter, deiner Großmutter, gefunden.“
    „Kein Wunder, dass ich von Anfang an das Gefühl hatte, dass es mir eine Geschichte erzählen wollte“, entgegnete Yuna, wobei sie natürlich nicht geahnt hatte, wie sehr diese sie und ihre Familie erschüttern würde.
    Ihr eigenes Leben erschien ihr plötzlich ebenfalls wie ein Puzzle, eins, das jemand zusammengeschoben hatte und welches beim erneuten Auslegen ein völlig anderes Bild ergab, obwohl die Teile noch immer die selben waren.
    Nun ergaben all die seltsamen Ereignisse, die sie so verunsichert hatten, einen Sinn und es würde sicher auch in ihrem Gefühlshaushalt endlich wieder Klarheit und Ordnung herrschen. Jedenfalls weitgehend... denn es gab da ja noch etwas mit Julien zu klären.

    Aber als ein prächtiger Sonnenaufgang Yuna am nächsten Tag weckte
    und sie auf ihrem kleinen Balkon über dem Meer glücklich den neuen Tag begrüßte, da wusste sie, dass sie zu allererst mit ihrem Vater einen Spaziergang machen musste. Es war ein beschwerlicher Weg für einen fast Siebzigjährigen, in mehrfacher Hinsicht, doch er musste gegangen werden.
    Er führte Vater und Tochter in die Felsengrotte mit der Inschrift, welche das Gedächtnis bei den Lebenden wachhalten sollte, die damals sofort Yunas Neugier geweckt hatte, und die, wie sie jetzt wussten, eine so wichtige Botschaft für ihren Vater enthielt.
    Die Höhle war vermutlich genauso klamm und kalt wie an den anderen Tagen, aber sie kam Yuna vollkommen verändert vor. Sie hatte nichts Unheimliches mehr an sich. Und als sie mit ihrem Vater in der zentralen Halle vor dem mächtigen Felsblock stand und ihre Hand auf das eingemeißelte Datum legte, da fühlte sie plötzlich wieder die Nähe zu ihrem Großvater, die sie so schmerzlich vermisst hatte, während sie dort um ihr Leben rang.
    „Ist es nicht seltsam“, sagte sie zu ihrem Vater, der sichtlich von seinen Gefühlen überwältigt wurde, ein Zustand, den Yuna bei ihm eigentlich noch nie erlebt hatte. „Ist es nicht wirklich seltsam, dass diese Höhle für uns beide zu einem Ort geworden ist, an dem uns das Leben ein zweites Mal geschenkt wurde?“
    Jürgen Lindberg nickte und musste sich räuspern, ehe er mit belegter Stimme antwortete: „Ja, es ist eine Fügung, die schwer zu fassen ist.“ Er schwieg nachdenklich und Yuna hatte das Gefühl, als würde er in diesem Augenblick sein bisheriges Leben Revue passieren lassen und langsam in sein neues eintreten. Tatsächlich sagte er: „Fast ist es, als würde ich zum dritten Mal geboren.“ Er sah sie mit seinen klugen Augen liebevoll an.
    „Und alles nur, weil du dir in den Kopf gesetzt hattest, Großvaters Asche in die Bretagne zu bringen.“ Nun lächelte er ihr zu. „Du Dickkopf!“
    „Verzeihst du mir?“
    Yunas Vater zuckte die Schultern. „Was soll ich sonst machen? Dich wegen Urnendiebstahls verklagen?“
    Sie lachte und als sie beide aus der Höhle in den herrlichen Tag traten,
    wusste Yuna, dass es richtig war, was sie getan hatte, und dass sie Großvaters Letzten Willen nun umfassend erfüllt hatte.
    Es begann verrückt und toll und es hatte ihre Familie erschüttert, aber es war mit dem Herzen getan und darum war es gut. Ohne ihren verwegenen Urnenklau und den Motorradtrip in die Bretagne wäre vieles im Dunkeln geblieben: Ihr Vater hätte vielleicht nie erfahren, wer seine wirklichen Eltern waren, und Juliens Großvater hätte vermutlich die Schuld am Untergang der Marie van Veen mit ins Grab genommen.

    Am Abend folgte die Familie Lindberg einer Einladung von Juliens Großeltern auf den Gutshof. Jean Baptiste war charmant und geistig frisch wie lange nicht mehr und er wirkte, als sei ihm eine schwere Last von den Schultern genommen worden.
    Wie gut für ihn und das ganze Dorf nun zu wissen, dass deutsche U-Boot Torpedos den Untergang der Marie van Veen verschuldet hatten und nicht die falschen Leuchtfeuer der Résistance.
    „Wir werden nun offen und mit erhobenem Kopf über das Unglück reden können“, sagte Juliens Großvater. „Und wir werden dafür sorgen, dass die Leichen der Ertrunkenen exhumiert und auf einem christlichen Friedhof beigesetzt werden.“
    Er sah Jürgen Lindberg, den er als Baby zusammen mit Großvater Pierre gerettet hatte, zufrieden und dankbar an. „Mit seinem Logbucheintrag hat dein Vater, der Kapitän der Marie van Veen, die Ehre unseres Dorfes wieder
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