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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl
Autoren: Arto Paasilinna
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seiner For­ schungsarbeit belegt und bestätigt. Das war allerdings eine Weile her, und er war sich seiner Behauptung geschweige denn der Wahrhaftigkeit des gesamten christlichen Glaubens längst nicht mehr sicher.
    Seine Gattin Saara Huuskonen, geborene Lindquist, Oberstufenlehrerin für Schwedisch, wäre ebenfalls lieber in eine belebtere und blühendere Gegend gezogen, doch in diesen harten Zeiten mit hoher Arbeitslosigkeit gab es keine freien Stellen, nirgends wurde eine neunundvier­ zigjährige Schwedischlehrerin gebraucht. Das war kein Wunder und lag keineswegs an Oskari, doch trotzdem gab seine Frau ihm die Schuld, dass sie bis ans Ende ihres Lebens in dem elenden Nummenpää ausharren mussten, wo die Winter dunkel und freudlos und die Sommer heiß und voller Schmeißfliegen waren, die dem Kuhdung entsprangen. Wenn Oskari wenigstens ein bisschen verbindlicher, also im guten Sinne verträgli­ cher und kooperativer gewesen wäre, hätten sich ihm gewiss die verschiedensten Einsatzmöglichkeiten im Rahmen der Kirche geboten. Schließlich war es die Hauptaufgabe der Pastoren, die Botschaft von Milde und Demut zu verkünden. Warum nur hielt sich Oskari nicht selbst daran, sondern schwang sich immer wieder zum Kritiker seiner Vorgesetzten auf und stritt über belanglose theologische Fragen? Mit ein bisschen mehr taktischem Geschick würde er den Mund halten und sich um eine Stelle in der Zentrale des Bistums in Hel­ sinki und, nach angemessener Zeit, um die des Bischofs bemühen. Wenn er erst seine Frau aus dem Hinterwald herausgeholt hätte, könnte er über Glaubensfragen räsonieren, so viel er wollte.
    An diesem Sonntag stammte der vorgeschriebene Predigttext aus dem Alten Testament, es waren Moses Worte zu Josua:
    »Nimm Männer mit dir und mache dich auf, gegen die Amalekiter zu kämpfen.«
    Pastor Oskari Huuskonen predigte vom kämpfenden Volk und erklärte, dass die Europäische Gemeinschaft den Finnen nicht helfen könne, wenn ihnen der Glaube fehle und sie im Augenblick der Entscheidung die Hände sinken ließen. Er sprach ebenfalls im Sinne von Kapitel 1, Vers 2 des Buches Obadja, wo es heißt:
    »Siehe, ich habe dich gering gemacht unter den Hei­ den und sehr verachtet.«
    Es war eine boshafte Predigt. Die Gemeindemitglieder lauschten den Worten ihres Seelenhirten mit heißen Ohren. Schließlich sind die wenigsten von uns Men­ schen ohne Sünde, dasselbe trifft auf die Völker zu, und die Drohungen des Buches Obadja, von Huuskonen akzentuiert, fielen auf fruchtbaren Boden.
    »Ganze Nationen können sein wie der brüllende Lö­ we«, donnerte der Pastor.
    Nachdem der Steinarbeiter Aarno Malinen ausgeseg­ net worden war, wurde kurz die Totenglocke geläutet, und anschließend folgte die Trauung. Die Braut Market-ta Haapala, Tochter des Betonfabrikanten, ein semmel­ blondes ältliches Mädchen, war Oskari Huuskonen aus seiner seelsorgerischen Arbeit bestens vertraut, sowohl hinsichtlich ihres Geistes als auch – peinlich, peinlich – ihres Körpers. Marketta war schwanger, das arme Ding. Inzwischen wusste man im Dorf jedoch allgemein, dass Hannes Loimukivi der Urheber ihrer Schwangerschaft war, und nachdem gründlich Druck auf ihn ausgeübt worden war, hatte er in die Ehe mit Marketta eingewil­ ligt. Pastor Oskari Huuskonen hatte persönlich mit Loimukivi ein Gespräch geführt, das sehr fordernd gewesen war.
    Zum Klang von Mendelssohns Hochzeitsmarsch schritt das Paar durch den Mittelgang zum Altar. Alles schien in Ordnung zu sein, wenn man von der ein wenig verschlossenen Miene des Bräutigams absah. Die Kirche war voll, all jene, die am Gottesdienst teilgenommen hatten, wollten der Eheschließung des ungleichen Paa­ res beiwohnen.
    Während die Brautleute so dahinschritten, erlosch in der Kirche das Licht. Stromausfall! Der Pastor fluchte im Stillen. Im Finstern wollte er ausgerechnet dieses Paar nicht gern trauen. Nun, auch so fanden die beiden schließlich zu ihm an den Altar. Der Pastor musterte sie streng und begann mit der Zeremonie. Er beschloss, eine längere Trauformel zu benutzen, die er mit zahlrei­ chen Bibelsätzen unterlegen würde. Außerdem wollte er eine aufmunternde Rede halten, die er vor allem an den Bräutigam richten würde. Es konnte nicht schaden, dem Windhund ein paar Lebensregeln mit auf den Weg zu geben.
    Pastor Huuskonen baute seine Traurede auf Kapitel 12, Vers 27 des Buches Nehemia auf:
    »Und bei der Einweihung der Mauer zu Jerusalem suchte man die Leviten aus
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