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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl
Autoren: Arto Paasilinna
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beachten. Jetzt müsse das Tier betäubt, in den isolierten Raum eines Tierparks gebracht und dort die vorge­ schriebenen vier Monate unter Beobachtung gehalten werden.
    »Wozu erst betäuben, er schläft ja schon«, sagte der Pastor. Hier halfen auch die Fachkenntnisse der Biolo­ gin Sonja Sammalisto nicht, der Mann bestand darauf, dass der Bär auf Trichinen und andere in Europa gras­ sierende ansteckende Bärenkrankheiten untersucht werden müsse. Sonja warnte ihn:
    »Wecken Sie keinen schlafenden Bären.« Ungeachtet dieser Warnungen begab sich der Tierarzt
    in den Zivilschutzbunker. Es verging eine unheimliche Sekunde. Dann ertönte Beelzebubs Gebrüll, und der arme Mann kam aus dem Bunker gesaust, dass die eiserne Tür dröhnte wie eine riesige karibische Steel-trommel. Ein Bein nachziehend, schleppte sich der Mann wieder in die Wohnräume des Hauses und stellte das erforderliche Quarantänezeugnis aus. Mehr war es eigentlich nicht, der Mann blieb noch eine Woche da, ehe er mit dem Motorschlitten nach Nunnanen gebracht werden konnte, und inzwischen hatte er sowohl Sonja als auch Huuskonen mit seinem Schnupfen angesteckt.
    In der Adventszeit fingen sie Schneehühner nach der Methode, die der estnische Präsident Lennart Meri einst auf Reisen gelernt und später publik gemacht hat. Er hatte in den Fünfzigerjahren an einer Expedition nach Kamtschatka teilgenommen und war dort dem tüchtigen Kodiakjäger und Rentiermann Äiteki begegnet. Dieser hatte die übliche Fangmethode für Schneehühner abge­ wandelt: Er füllte eine geleerte russische Sektflasche mit heißem Wasser, verschloss sie und benutzte sie als Schmelzform, mit der er flaschenförmige Höhlen in den Schnee schmolz. Auf den Boden dieser Höhlen streute er leckere Beeren, die die Schneehühner anlockten, aber wenn sie die Beeren aufgepickt hatten, kamen sie die Eiswände der flaschenförmigen Höhle nicht wieder hinauf. Äiteki brauchte sie dann nur noch einzusam­ meln.
    Oskari und Sonja wandten diese ausgezeichnete Me­ thode am Kälmitunturi an. Sie leerten täglich zwei, drei Flaschen Champagner, wovon es im Weinkeller ausrei­ chende Vorräte gab, füllten die leeren Flaschen mit heißem Wasser und liefen auf Skiern in den Wald, wo sie die besagten Höhlen machten. Jedes Mal brachten sie reichlich Beute heim, und danach bot es sich gera­ dezu an, zum leckeren Schneehuhnbraten weiteren Champagner zu trinken. Der Mensch lebt wirklich nicht vom Brot allein, zumindest nicht unter den rauen Be­ dingungen des Nordens.
    Kurz vor Weihnachten kam Sonja, die ja einen Hang zur Religion hatte, auf die Idee, dass die Zahlenfolge, die sie ermittelt hatte, womöglich auf die Bibel angewandt werden konnte. Eigentlich war alles kinderleicht, die erste Zahl sagte aus, ob es sich um das Alte oder das Neue Testament handelte, die zweite bezog sich auf die Anordnung in der Bibel, 3. Kapitel, Vers 4. Das war es! Die Bibel war das Buch, das unter der Menschheit am meisten verbreitet war, es war die Grundlage ihrer Kul­ tur, somit erschien es nur natürlich, dass die außerirdi­ schen intelligenten Wesen gerade sie als Ausgangspunkt ihrer Botschaft gewählt hatten. So gesehen war es ein­ fach, die Botschaft anhand der abgegriffenen Taschen­ bibel des Pastors zu entschlüsseln. Sonja beschloss, ihm die sensationelle Entdeckung erst an Heiligabend mitzu­ teilen. Das wäre ihr Geschenk an ihren künftigen Ehe­ mann und gleichzeitig an die ganze Menschheit. Huuskonen könnte die Botschaft weiterverbreiten, wenn er Lust hätte. Da hätte er bis an sein Lebensende zu tun.
    An Heiligabend las Sonja vor dem Festmahl das Weihnachtsevangelium. Als Huuskonen ihr nach dem Essen einen goldenen Ring überreichte, präsentierte sie ihm ihr Geschenk und sagte ihm, dass sie die Botschaft aus dem All, die er in Solowezk empfangen hatte, ent­ schlüsselt habe. Es handle sich um einen Abschnitt aus dem Neuen Testament (2), Buch des Johannes (4), Kapi­ tel 14, Vers 6. Huuskonen überprüfte sofort, ob Sonja das Große Buch richtig gelesen hatte.
    »Unglaublich! Das muss es sein! Die Menschheit wird uns danken für diese errettende Botschaft! In alle Ewig­ keit, Amen!«
    Und so las Oskar Huuskonen im Dunkel des Weih­ nachtsabends, während die Kerzen flackerten und im Kamin ein Feuer glühte, mit lauter Stimme die ergrei­ fende Botschaft aus der Bibel:
    »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.«
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