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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl
Autoren: Arto Paasilinna
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sie badeten, aßen und legten sich schlafen.
    An den nächsten Tagen richteten sie sich ohne Eile im Haus ein. Sonja und Beelzebub räumten wieder die Sachen in die Schränke. Sie reinigten die Räume, Huuskonen brachte seine Bücher in der Turmkammer unter, wo er auch seine Abhörkabel anschloss. Sie bereiteten sich deftige, gesunde Mahlzeiten: Rentierge­ schnetzeltes mit selbst gepflückten Preiselbeeren, dazu tranken sie Qualitätsweine, die Sonja in weiser Voraus­ sicht in Rovaniemi eingekauft hatte, gleich kistenweise. Beelzebub fraß kaum noch, er gähnte und bereitete sich auf seinen dritten Winterschlaf vor. Sonja richtete ihm eine Höhle im Zivilschutzbunker ein, sie trug trockenes Moos und Reisig hinein und reinigte die Belüftungsroh­ re, die Tür ließ sie offen. Beelzebub gewöhnte sich bald an seine neue Behausung, und an einem kalten, windi­ gen Tag Ende September kam er zu Huuskonen und zupfte ihn am Ärmel: Jetzt war es an der Zeit, sich zum Winter schlafen zu legen. Oskari und Sonja brachten ihn in seine Felshöhle, die ihm in ihrer gleichmäßigen Kühle ein ruhiger und sicherer Schlafplatz sein würde. Sonja sang ihrem Schützling noch ein schönes Wiegen­ lied vor.
    Huuskonen schrieb Artikel für verschiedene europäi­ sche Zeitschriften: eine ganze Serie über den Malteser­ orden, einen Reisebericht über Randregionen Europas und einen umfangreicheren Artikel, dem er den Titel gab: »Erklärung für das Verschwinden der Dinosaurier und Entschlüsselung des Geheimnisses der Pyramiden«. Darin äußerte er die Annahme, dass es im Paläozoikum einen vernichtenden Atomkrieg auf der Erde gegeben habe, in dem insbesondere die riesigen Tiere umgekom­ men seien. Die Menschen jener Zeit hatten sich Atom­ schutzbunker in Pyramidenform gebaut und außerdem sämtliche in der Natur vorhandenen Höhlen besetzt, dorthin hatten sie sich vor den Atomstrahlen geflüchtet, und sie hatten natürlich auch alle kleineren Tiere mit­ genommen, Säugetiere, ja, sogar ganze Scharen von Insekten, ebenso Pflanzen, von Moos bis zu Kiefern­ schösslingen. Dadurch sei wohl der Mythos von der Arche Noah zustande gekommen, schrieb Huuskonen.
    Ein Atomkrieg hatte also die damalige Hochkultur vernichtet, und auch die Dinosaurier waren umgekom­ men, da sie nicht in die Höhlen gepasst hatten. Aber noch zig Millionen Jahre später erinnerte sich die Menschheit daran und wusste, dass es günstig war, steinerne Kammern zu bauen. Mit anderen Worten, die Pyramiden der Ägypter und Inkas waren ursprünglich gar keine Königsgräber, sondern Atomschutzbunker aus einem Krieg in grauer Vorzeit, die die Menschheit auch ein paar Jahrtausende später nach alter Überlieferung gebaut hatte, obwohl die eigentliche Idee in Vergessen­ heit geraten war.
    Sonja Sammalisto war eine neugierige Frau und eine Forscherin, sodass sie neben der Beschäftigung mit ihrer Doktorarbeit heimlich in Oskaris Computeraus­ drucken aus der Zeit in Solowezk blätterte. Auf einem der Blätter waren tatsächlich gleichmäßige Striche zu erkennen, wie ein geheimer Code. Sonja grübelte, was das wohl zu bedeuten hätte, und sie kam zu dem Schluss, dass es sich um eine mathematische Gleichung handeln müsse, und mittels Analyse nach dem Dezimal­ system errechnete sie die Zahlenfolge 2:4:14:6. Es war natürlich möglich, dass es einfach nur Gekritzel eines russischen Funkamateurs oder Rechenübungen eines betrunkenen Seemanns waren. Sonja würde herausfin­ den, was es bedeutete, schließlich hatte sie den ganzen Winter Zeit.
    An den Abenden machten sie Feuer im Kamin und zündeten Kerzen an, sie saunierten, genossen die Wär­ me der Balkenwände und horchten auf das wilde Geheul der Wölfe am Korsatunturi. Es gab den ersten Schnee, gelbgrünes Nordlicht züngelte über den Himmel, der Mond schien, und tief im Felsen, kaum hörbar, summte der Dieselmotor vor sich hin und produzierte Strom für das glückliche Paar fern in der Wildnis.
    Ein kleiner Riss in dieser Idylle entstand durch den Besuch des amtierenden kommunalen Tierarztes. Dieser Mann, der Kandidat der Veterinärmedizin Torsti Niemi­ nen, tauchte an einem nasskalten Oktoberabend mit dem Kompass in der Hand in der Hütte auf und schnäuzte sich erst mal die verschnupfte Nase. Dann trug er sein Anliegen vor: Laut den ihm vorliegenden Informationen habe Huuskonen seinen Bären, Aktenzei­ chen des Ministeriums 1994/007, ins Land gebracht, ohne die entsprechenden Quarantänebestimmungen zu
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