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Kommandosache HC-9

Kommandosache HC-9

Titel: Kommandosache HC-9
Autoren: K. H. Scheer
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1.
     
    Er war vor drei Mi­nu­ten an­ge­kom­men. »Er« war kein Mensch, son­dern ein Brief. Der läng­li­che Um­schlag war von ei­ner Qua­li­tät, die man in je­dem Wa­ren­haus für fünf­und­zwan­zig Cents im Pack kau­fen konn­te.
    Ich hielt ihn in der lin­ken Hand und tas­te­te mit der rech­ten die Aus­wurf­klap­pe der Rohr­post­lei­tung ab, um fest­zu­stel­len, ob »er« al­lei­ne ein­ge­trof­fen war.
    Es war bei­na­he ei­ne fei­er­li­che Hand­lung, denn ich ge­hö­re zu den Men­schen, die grund­sätz­lich kei­ne all­täg­li­chen Brie­fe emp­fan­gen. Flat­tert aber ei­ner von läng­li­chem For­mat zu mir ins Haus, dann kann ich mit ei­ni­ger Be­stimmt­heit sa­gen, daß es Ar­beit ge­ben wird.
    Ich pfiff geis­tes­ab­we­send vor mich hin und über­prüf­te noch­mals das Fach. Nein, es war wirk­lich leer!
    Ich drück­te auf den Rück­hol­knopf. Der Me­tall­kas­ten glitt laut­los nach un­ten, wo er wie­der sei­nen Platz als Brief­kas­ten ein­nahm. Mei­ne Woh­nung ge­hör­te zu je­nen Apart­ments, die längst mit der­ar­ti­gen Ein­rich­tun­gen aus­ge­stat­tet wa­ren. So­bald ei­ne für mich be­stimm­te Nach­richt in den Brief­kas­ten ge­wor­fen wur­de, saus­te er voll­au­to­ma­tisch nach oben. In mei­nem Flur zuck­te dann ein ro­tes Licht auf, das zu­sam­men mit ei­nem kräf­ti­gen Summ­ton den Emp­fän­ger auf die An­kunft ei­ner Sen­dung auf­merk­sam mach­te.
    Ich war­te­te, bis das grü­ne licht auf­flamm­te. Es be­stä­tig­te mir, daß mein Brief­kas­ten wie­der sei­nen Platz in der ele­gan­ten, im­mer stil­len Hal­le des großen Apart­ment­hau­ses ein­ge­nom­men hat­te.
    Lang­sam dreh­te ich mich um. Als ich den un­sicht­ba­ren Strahl der Se­len­zel­le durch­brach, öff­ne­te sich die Schie­be­tür zu mei­nem Wohn­zim­mer.
    Laut­los glitt die Tür hin­ter mir zu. Ich be­fand mich in dem nied­ri­gen, da­für aber sehr großen Wohn­zim­mer. Es konn­te fast als Saal be­zeich­net wer­den und war mit al­len lu­xu­ri­ösen An­nehm­lich­kei­ten des Jah­res 2002 ein­ge­rich­tet.
    Die rie­si­ge Fens­ter­front mit der da­vor­lie­gen­den Hoch­ter­ras­se war we­gen der hei­ßen Ju­ni­son­ne au­to­ma­tisch ab­ge­blen­det wor­den. Die Kli­ma­an­la­ge hat­te die­se Maß­nah­me zur Tem­pe­ra­tur­re­ge­lung ver­an­laßt.
    Ich warf einen Blick auf mei­ne Ka­len­der­uhr und stell­te fest, daß wir heu­te den 20. Ju­ni 2002 schrie­ben.
    An­hand die­ses Da­tums rech­ne­te ich mir aus, daß ich knapp drei Wo­chen Ur­laub ge­macht hat­te; die­se Er­ho­lungs­pau­se war auch not­wen­dig ge­we­sen.
    Seuf­zend ließ ich mich in einen Schaum­plas­tik­ses­sel sin­ken. Die au­to­ma­ti­sier­te Sitz­ge­le­gen­heit klapp­te so­fort lei­se zi­schend nach hin­ten und hob gleich­zei­tig mei­ne Fü­ße an.
    Ich lag al­so reich­lich be­quem. Ne­ben mir stand der Er­fri­schungs­au­to­mat. Ich mus­ter­te kri­tisch die Wähls­ka­la und drück­te schließ­lich auf den Plas­tik­knopf, der die Be­zeich­nung »peng-aus« trug.
    Nun, man muß den selt­sa­men Hu­mor der Ame­ri­ka­ner ver­ste­hen, um sich un­ter den bei­den Wör­tern et­was vor­stel­len zu kön­nen. An­de­re Knöp­fe wa­ren bei­spiels­wei­se mit den sin­ni­gen Auf­schrif­ten »Don­ner­keil« und »Höl­len­gift« ver­se­hen. Es han­del­te sich um Mix­ge­trän­ke, die in ih­rer Wir­kung nicht zu un­ter­schät­zen wa­ren.
    In dem Au­to­ma­ten summ­te und klirr­te es. Un­mit­tel­bar dar­auf schob sich aus der Ser­vier­öff­nung ein ge­schlif­fe­nes Glas, in dem au­ßer ei­nem Eis­wür­fel noch ei­ne gift­grü­ne Flüs­sig­keit glänz­te.
    »Die Au­to­ma­tic Com­pa­ny wünscht Ih­nen aller­größ­ten Ge­nuß, Sir«, plärr­te der Laut­spre­cher, der von ei­nem ein­ge­bau­ten Ton­band »be­dient« wur­de. Wenn man einen Drink wähl­te, be­kam man beim Ser­vie­ren stets ein Sprüch­lein zu hö­ren, das ei­ne jun­ge Da­me mit an­ge­neh­mer Stim­me sprach. Es war im­mer ein an­de­rer Spruch, doch nie­mals wur­de da­bei ver­ges­sen, die all­mäch­ti­ge Au­to­ma­tic Com­pa­ny zu er­wäh­nen.
    Ich griff nach dem Glas und streck­te dem Au­to­ma­ten in ei­ner
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