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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl
Autoren: Arto Paasilinna
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gezeichnete Gelegenheit, ihn Pastor Huuskonen zu überreichen. Begründet wurde die Idee damit, dass der Pastor ursprünglich aus Lappland stammte und Flößer­ sohn, also quasi ein wilder und freier Mann des Waldes, war, zumindest was seine Herkunft betraf, somit konnte man ihm sehr wohl einen lebenden Bären schenken. Außerdem ersparte man sich auf diese Weise, unter den Einwohnern Geld für ein Geschenk zu sammeln.
    Niemand sprach laut aus, dass es dem eigensinnigen Pastor ganz recht geschehen würde, wenn er einen Bären geschenkt bekäme, da hätte er etwas zum Nach­ denken. Und auch seine Gattin, die hochnäsige Schwe­ dischlehrerin, die sich wer weiß was einbildete und ständig an den Verhältnissen von Nummenpää herum­ mäkelte, bekäme bei dieser Gelegenheit einen Denkzet­ tel. Wenn sie den Bären füttern und seine Hinterlassen­ schaften vom Wohnzimmerteppich wischen müsste, dann würde auch sie erkennen, was die Leute von ihr hielten. Außerdem bestand die kleine Chance, dass der Bär später, wenn er zur vollen Größe ausgewachsen wäre und mal schlechte Laune hätte, sich den Pastor und seine Gattin richtig vorknöpfen würde, sodass alle alten Sünden quasi durch die Hand des Bären bereinigt werden würden.
    Die Vereinsvorsitzende Taina Säärelä wandte sich ans Landwirtschaftsministerium und erhielt von dort die schriftliche Genehmigung für die Haltung eines wilden Tieres. In der Begründung hieß es, dass die Mutter tot und das Kleine allein nicht überlebensfähig war, da es noch nicht selbst Beute machen und sich den Gefahren der Wildnis stellen könne.
    Durch Vermittlung des Blinden- und Sehschwachen­ verbandes trieb der Verein in der Nachbargemeinde Somero einen blinden Korbmacher auf und bestellte bei ihm einen stabilen Korb für den kleinen Bären. Der Korb hatte auf einer Seite eine Öffnung, durch die das Tier hineinkriechen, und auf der anderen ein kleines Guck-loch, durch das es sein Maul stecken und die Welt be­ schnuppern konnte. Als Unterlage bekam es eine weiche Decke, und zur Krönung des Ganzen noch einen ver­ chromten Fressnapf, ein silberbeschlagenes Halsband sowie einen speziell angepassten Maulkorb. Anschlie­ ßend fuhren die Vereinsmitglieder mit dem Kleinen nach Lohja und ließen ihn im dortigen Hundesalon trimmen, dann war er fertig für die Übergabe an den Empfänger. Der Korb wurde mit einem breiten Seidenband umwi­ ckelt, obendrauf kam ein Blumenstrauß. All diese Vor­ bereitungen wurden natürlich vor dem Pastor und sei­ ner Gattin geheim gehalten. Man war sich nicht ganz sicher, wie sie reagieren würden, sodass es besser war, gar nicht erst zu fragen und dem Seelenhirten das Raubtier als Überraschung zum fünfzigsten Geburtstag zu präsentieren, egal, ob er einen eigenen Bären haben wollte oder nicht.
    Der bewusste Tag brach an. Die Geburtstagsfeier fand im Gemeindesaal statt, und mehr als hundert Gäste kamen, unter anderem auch Bischof Uolevi Ketterström aus Helsinki. Zu Beginn sang der Kirchenchor den 3. Vers aus dem 1. Psalm:
    »Er ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht,
    und was er macht, das gerät wohl.« Generalmajor Hannes Roikonen, ein fünfzigjähriger großer und ungeschlachter Offizier der Bodentruppen, hielt nun eine bedeutungsschwangere Rede, in der er die Lebensphasen des Pastors in militärischem Stil abhan­ delte, zum Schluss sprach er eine karge Gratulation aus. Danach wurde die dritte Strophe eines alten schwedischen Dankesliedes gesungen:
    »Feiern wir ein Dankesfest,
    kommt herbei in Scharen…«
    Nun übergaben die Vertreter der verschiedenen Organi­ sationen ihre Blumen und Geschenke. Zwischendurch sang wieder der Kirchenchor, diesmal ein etwas fröhli­ cheres Lied, und als es verklungen war, wurde das Überraschungsgeschenk hereingetragen: der Korb, in dem der kleine Bär hockte und auf sein künftiges Herr­ chen und Frauchen wartete.
    Unter allgemeinem Jubel wurde der Korb an Pastor Huuskonen übergeben. Der ahnte nichts vom Inhalt, aber als er das Seidenband entfernte, wurde die Überra­ schung sichtbar. Durch das kleine Fenster schob sich ein feuchtes Maul.
    Die Gattin des Pastors stöhnte:
    »Der kleine Bär, potz sapperlot!«
    Der Pastor warf seiner Frau einen vernichtenden Blick zu. Dies war nicht der richtige Moment für Kraftausdrü­ cke, wenngleich das Geburtstagsgeschenk auch ihn überrascht hatte. Wie dem auch sei, fortan
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