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Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt
Autoren: Maya Trump
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1. Kapitel
     
    Sich ungeschützt der Sonne aussetzen verursacht Hautkrebs, zu großer Alkoholkonsum führt ins soziale Elend, ungeschützter Sex lässt ungewollte Kinder entstehen. Diese kausalen Zusammenhänge sind Binsenweisheiten, die man weiß und trotzdem für sich zu spät erkennt. Ich steckte die Zeitschrift in die Tasche und legte den Sicherheitsgurt an. Unsere Landung in München stand bevor.
    Als das Flugzeug durch die Wolkendecke tauchte, hüllte uns dichter Nebel ein. Das Licht, wenn man noch von Licht sprechen konnte, glich einem trüben Regentag im Dschungel. Wir waren über München, obwohl keine Häuser zu sehen waren. Der Pilot hatte sich soeben von uns verabschiedet und wünschte uns eine gute Landung. Meine Mutter, die sonst immer schlief, sobald das Flugzeug abgehoben hatte, war heute während des ganzen Flugs nervös auf ihrem Sitz herumgerutscht, obwohl sie inzwischen daran gewöhnt sein müsste.
    Meine Ferien waren leider zu Ende und der Internatsalltag erwartete mich. Der kurze Aufenthalt in Kenia war viel zu schnell vergangen. Seit mein Vater Amerika verlassen hatte und in Afrika den diplomatischen Dienst angetreten hatte, war ich wegen der wichtigen Schulausbildung in einem deutschen Internat im Allgäu gelandet. Dort sollte ich demnächst mein Abitur machen. Schließlich machten sich alle Sorgen, außer mir, dass ich vielleicht keinen ordentlichen Schulabschluss schaffen würde durch das ständige Umziehen und dem Wechsel der Sprache. Ich sprach inzwischen Englisch, Suaheli, etwas Arabisch und vor allem Deutsch und Französisch.
    Wie immer, wenn wir in München landeten, ging ich mit meiner Mutter ein paar Stunden in die Innenstadt. Dort konnte man wunderbar bummeln und die neueste Mode bewundern. Ich brauchte für den Herbst und Winter außerdem noch neue Kleidung. Die Sommersachen, die ich in Kenia getragen hatte, waren dort geblieben. Was sollte ich damit im deutschen Winter? Außerdem fror ich schon jetzt in meinem dünnen Trenchcoat.
    Unser Einkaufstrip war anstrengend und ich fand so viele Pullover, Hosen und Jacken, dass ich auch noch einen Koffer dazu kaufen musste.
    Als meine Mutter mich an den Bahnsteig brachte, sagte sie zum Abschied: „Wir sehen uns an Weihnachten wieder. Da fliegst du dieses Mal alleine nach Kenia.“ Ich umarmte sie und roch zum letzten Mal in ihren Haaren den Duft unseres Gartens in Nairobi. Jetzt würde ich für vier Monate pauken müssen und Kenia und meinen schwarzen Gespielen für eine Weile vergessen. Ich war schweren Herzens abgereist, denn mit Salman, dem Sohn unseres Gärtners, hatte ich in diesem Sommer die erste große Liebe erlebt.
    Ich stieg ein und suchte mir einen Fensterplatz. Meine Mutter stand winkend am Bahnsteig, als der Zug in Richtung Süden den Bahnhof verließ. Wir waren so daran gewöhnt, uns immer wieder zu trennen, dass kaum mehr Tränen flossen. Mein ganzes bisheriges Leben war von Abschied und Wiedersehen geprägt. Nirgends war ich richtig heimisch. Ich freute mich auf das Internat, wenn es mir auch schwer gefallen war, Salman in Kenia zurück zu lassen. Hier in Deutschland fühlte ich mich am meisten zu Hause und sicher behütet.
    In Kenia dagegen war das Leben abenteuerlicher, und als Diplomatentochter war auch ich den strengen Regeln des politischen Protokolls unterworfen. Die Freiheiten, die ich mir dort nehmen konnte waren so gering, dass die Beziehung zu Salman eine Flucht in die Normalität war. Alle meine Freundinnen im Internat hatten schon längst ihre ersten Erfahrungen mit Freunden hinter sich, doch ich war von früh bis spät unter Aufsicht und es war fast unmöglich, junge Männer kennen zu lernen. Meine Eltern verkehrten in Kreisen, die für mich langweilig und uninteressant waren.
    Meine erste intime Begegnung hatte ich gerade diesen Sommer im Alter von 18 Jahren erlebt. Ich fand, dass es dafür endlich Zeit war. Natürlich durften meine Eltern von dieser Affäre nichts wissen. Allein die Tatsache, dass Salman als Schwarzer sich an mich herangemacht hatte, wäre für meinen Vater eine Katastrophe gewesen. Er achtete peinlich darauf, dass ich nur unter Weißen verkehrte, denn trotz seines diplomatischen Auftrages und obwohl er täglich mit Farbigen zusammen arbeitete, war er sehr konservativ.
    Als der Schaffner kam, um die Fahrkarte zu kontrollieren, war ich so in Gedanken versunken, dass ich zuerst gar nicht reagierte. Erst bei der zweiten Aufforderung fühlte ich mich angesprochen. Wir sprachen zuhause Englisch
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