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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl
Autoren: Arto Paasilinna
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allen ihren Orten, dass man sie gen Jerusalem brächte, zu halten Einweihung in Freuden, mit Danken, mit Singen, mit Zimbeln, Psaltern und Harfen.« Der Pastor sagte, dass an diesem Tag in der Gemeinde Nummenpää gefeiert werde so wie einst vor tausenden von Jahren bei der Einweihung des neu­ en Tempels von Jerusalem. Auch hier werde hinter Gottes Rücken Musik gespielt, wenn auch nicht auf der Zimbel, so doch zumindest auf dem Akkordeon, und man werde die herrlichen Delikatessen von Astrid Saha-ri verspeisen, werde singen und tanzen. Bei all dieser irdischen Freude sollten die Menschen jedoch bedenken, dass auf ein Fest stets der Alltag folge, und am Alltag tue man gut daran, auf Gott zu vertrauen und ein ehr­ bares Leben zu führen.
    Bei diesen Worten stolperte ein beschwipster Zecher in die Kirche. Er war kurz zuvor aus der Kneipe gewankt und draußen Zeuge geworden, wie die Köchin und die Bärin auf dem Strommast zu Tode gekommen waren. Der Säufer rief:
    »Predigt stopp! Astrid Sahari und eine Bärin sind auf den Strommast geklettert! Jetzt hängen sie da oben und qualmen, beide sind mausetot!«
    Allgemeiner Aufruhr entstand mitten in der Trauung, und für eine Steigerung sorgte noch der Hausmeister des Gemeindeamtes und des Gesundheitszentrums, der ebenfalls die Beine in die Hand genommen hatte und in die Kirche gerannt war. Er tauchte jetzt in der Tür auf und rief laut, dass er dringend kräftige Männer brauche, er müsse im Keller des Gesundheitszentrums den Die­ selmotor in Gang setzen, der während des Stromausfalls den Generator betreiben solle. Ein Patient am Beat­ mungsgerät habe bereits große Probleme, die Sache sei brandeilig.
    »Der Motor muss richtig angekurbelt werden, der Ak­ ku ist leer, und ich allein krieg das Scheißding nicht gedreht.«
    Pastor Huuskonen blieb nichts weiter übrig, als die Zeremonie abzubrechen, er erklärte, dass die Trauung aufgeschoben und zu einem späteren Zeitpunkt, der noch angekündigt werden würde, fortzusetzen sei, mög­ lichst unmittelbar nachdem die Folgen der Katastrophe beseitigt wären. Alle Anwesenden, der Bräutigam voran, stürzten aus der Kirche, ohne den Pastor ausreden zu lassen. Die arme Braut sank auf eine Bank, in den zitternden Händen hielt sie einen Strauß mit den schönsten Feldblumen der Jahreszeit. In den Augen der verlassenen, schüchternen Frau schimmerten Tränen.
    Oskari Huuskonen rannte mit dem Hausmeister in vollem Galopp zum Gesundheitszentrum. Als sie an der Trafostation vorbeikamen, sah er auf dem Hochspan­ nungsmast zwei qualmende Gestalten, ohne dass er unterscheiden konnte, welche die Köchin und welche die Bärin war. Doch jetzt war keine Zeit, sich damit zu befassen, erst musste der Dieselmotor in Gang gesetzt werden, damit der Sauerstoffapparat wieder funktionier­ te und das Leben des Patienten gerettet würde.
    Im Keller der Bettenstation drehte Huuskonen mit al­ ler Kraft an der Handkurbel des Dieselmotors, während der Hausmeister die Messgeräte einstellte; der Motor sprang surrend an, und Leben spendender Strom floss wieder ins Netz des Krankenhauses, das Beatmungsge­ rät begann zu funktionieren, und der in den letzten Zügen liegende ehemalige Besamungstechniker Tisuri konnte wieder an seine Sauerstoffmaske angeschlossen werden. Die verschwitzte Krankenschwester wankte in den Pausenraum, wobei sie die Hand aufs Herz presste.
    »Der Pflegedienst ist nicht immer ein Zuckerschle­ cken«, keuchte sie.
    Pastor Huuskonen kehrte ins Dorfzentrum zurück. An der Trafostation wimmelte es von Menschen, als fände hier eine religiöse Erweckungsveranstaltung statt. Die Feuerwehr hatte die beiden Leichen mit der Leiter vom Mast geholt. Über Astrid Sahari hatte man eine Decke gebreitet, aber der Kadaver der Bärin lag ungeschützt im Gras. Der Geruch verbrannten Fleisches hing in der Luft.
    Auf der Hoffichte hatten die Feuerwehrleute zwei ver­ ängstigte Bärenjunge entdeckt, sie hatten sie eingefan­ gen und im Lebensmittelspeicher eingeschlossen. Dort herrschte ein furchtbares Chaos. Es war zu sehen, dass Bären am Werke gewesen waren.
    Das Leben im Kirchdorf war völlig aus den Fugen. In­ zwischen sprach sich herum, dass der Bräutigam und Windhund Hannes Loimukivi die Situation genutzt und sich davongemacht hatte. Die Braut wartete schluch­ zend in der Kirche, aber ihr Zukünftiger war über alle Berge.
    Pastor Huuskonen gab sich nicht geschlagen. Er stell­ te ein halbes Dutzend Männer zu einer Suchpatrouille
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