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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir
Autoren: Christopher Pike
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BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 74006
Erste Auflage: April 1996
    © Copyright 1994 by Christopher Pike All rights reserved
Deutsche Lizenzausgabe 1996
Bastei Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach
Originaltitel: The Last Vampire
Lektorat: Rainer Delfs
Titelbild: Monica/ Norma Agency, Barcelona Umschlaggestaltung: Quadro Grafik, Bensberg Gesamtherstellung: Ebner Ulm
Printed in Germany
    ISBN 3-404-74006-8
     
    1.
KAPITEL
    Ich bin ein Vampir, und das ist die Wahrheit. Aber die moderne Bedeutung des Wortes Vampir entspricht so wenig der Wirklichkeit wie die Geschichten, die über Wesen wie mich erzählt werden. Es stimmt nicht, daß ich in der Sonne zu Asche zerfalle, und ich schrecke auch nicht zurück, wenn ich ein Kruzifix sehe. Statt dessen trage ich sogar ein winziges Goldkreuz an einer Kette um meinen Hals. Ich herrsche nicht über ein Rudel Wölfe, das auf mein Kommando angreift, und ich kann auch nicht fliegen. Und schon gar nicht kann ich einen neuen Vampir erschaffen, indem ich ihm das Blut aussauge. Wölfe und auch andere Raubtiere mögen mich, und ich springe so hoch, daß es fast so aussieht, als könne ich fliegen. Was Blut angeht – natürlich hat dieser Saft eine besondere Bedeutung für mich. Wenn ich wirklich durstig bin, mag ich ihn am liebsten frisch und warm. Und eigentlich bin ich oft durstig.
    Mein Name ist zur Zeit Alisa Perne – für mich sind das bloß zwei Worte, die mich ein paar Jahrzehnte lang begleiten. Sie bedeuten mir nicht mehr als das Geräusch des Windes. Mein Haar ist blond und seidig, meine Augen funkeln wie zwei Saphire mit fast vulkanischem Feuer. Für heutige Verhältnisse bin ich zierlich, gut einssechzig in Sandalen, aber meine Arme und Beine sind muskulös, ohne dabei plump zu wirken. Die Leute schätzen mich auf etwa achtzehn, wenn sie mich sehen, aber wenn sie mich reden hören, glauben sie, daß ich älter bin – vielleicht weil meine Stimme sicher klingt und auch irgendwie erfahren. Aber ich denke selten an die Zeit zurück, als ich das Licht der Welt erblickte – lange bevor die Pyramiden erbaut wurden.
    Brauche ich Blut, um zu überleben? Bin ich unsterblich? Nach all den Jahren kenne ich die Antworten auf diese Fragen immer noch nicht. Ich trinke Blut, weil ich es mag. Aber ich kann auch ganz normale Dinge zu mir nehmen und verdauen. Wie jeder andere Mensch muß auch ich essen. Ich bin ein lebendes, atmendes Wesen. Mein Herz schlägt – gerade jetzt höre ich es wie Donner in meinen Ohren. Mein Gehör ist sehr gut, ebenso wie meine Augen. Ich kann hören, wie ein trockenes Blatt von einem Baum fällt, der eine Meile entfernt steht, und ich sehe die Mondkrater ohne jedes Teleskop. Meine Augen und Ohren sind mit zunehmendem Alter immer besser geworden.
    Mein Immunsystem ist unbesiegbar, und ich regeneriere mich ständig auf wunderbare Weise – wobei ich nicht an Wunder glaube. Ein Messerstich in meinem Arm verheilt innerhalb von Minuten und hinterläßt keine Narbe. Aber ein Stich ins Herz, zum Beispiel mit dem sagenumwobenen Eichenpflock, würde mir wahrscheinlich den Tod bringen.
    Wer sollte mich auch erstechen? Wer die Gelegenheit dazu haben? Ich bin so stark wie fünf Männer und reaktionsschnell wie eine Katze. Es gibt keine Kampfart, die ich nicht beherrsche. Ein Dutzend Schwarzgürtel könnten mich im Dunkeln unerwartet angreifen, und ich würde mühelos mit ihnen fertig werden. Kämpfen macht mir Spaß, zugegeben, fast soviel Spaß wie Töten. Trotzdem töte ich von Jahr zu Jahr weniger, weil ich einfach kaum einen Grund dazu habe und weil Mord in der heutigen Gesellschaft eine komplizierte und zeitaufwendige Sache ist. Einige Vorlieben muß man eben aufgeben, andere vergessen. Das mag merkwürdig klingen, wenn ein Monster wie ich es sagt, aber selbst ich bin zu leidenschaftlicher Liebe fähig. Und ich halte mich keineswegs für schlecht.
    Warum erzähle ich das alles? Wem erzähle ich das alles? Ich sende diese Worte, diese Gedanken aus, weil es einfach Zeit dafür ist. Zeit für was, weiß ich nicht genau, aber das macht nichts, denn mein Wunsch ist mir Grund genug. Meine Wünsche – es gibt wenige davon, aber sie brennen tief in mir. Es ist einfach noch nicht an der Zeit, zu offenbaren, für wen ich das alles erzähle.
    Im Augenblick ist selbst für mich vieles ein Geheimnis. Ich stehe draußen vor der Tür von Detective Michael Rileys Büro. Es ist spät; der Mann hält sich in seinem Privatbüro im hinteren Teil auf – das weiß
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