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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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drei Sekunden still sein“, erwiderte er.
    „Wie können Sie –“
    „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie meine Fragen beantworten würden“, unterbrach Gregor scharf. Er wartete, bis sie sich setzte, und fuhr dann fort. „Fangen wir damit an, dass Sie uns erklären, in welcher verwandtschaftlichen Beziehung Sie zu den Ungers stehen.“
    „Meine Mutter war die Schwester von Max Ungers Frau. Die jüngere Schwester. Sie ist … voriges Jahr gestorben. Bis dahin hatten wir keinen Kontakt zur Familie meiner Tante. Die Ungers haben nie verwunden, dass meine Mutter einen einfachen Rechtsanwalt geheiratet hat. Mein Vater ist im Krieg gefallen, und nach dem Tod meiner Mutter hat Tante Käte mich zu sich geholt, was ich ihr hoch anrechne.“
    „Da können Sie bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage allerdings von Glück reden.“
    „Es ist nur vorübergehend. Ich habe nicht vor, ewig hierzubleiben.“
    Hendrik machte sich im Kopf eine Notiz, dass auch sie eine Menge Konfliktstoff vor ihnen verbarg.
    „Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?“
    „Achtundzwanzig.“
    „Haben Sie keine anderen Verwandten, zu denen Sie ziehen könnten?“
    „Nur meine Schwester Marianne, aber die lebt in London. Sie hat einen Engländer geheiratet, noch vor dem Krieg.“
    Stichpunktartig schrieb Hendrik die Antworten mit. Zwischen der Niederschrift strichelte er immer wieder an einer Karikatur von der jungen Frau, konnte sich aber für kein Gesicht entscheiden.
    „Als Außenstehende können Sie uns womöglich ein paar objektivere Auskünfte über die Familie Unger geben. Fangen wir mit Max Ungers Frau an; Ihre Tante sagte, sie sei an einer Krankheit gestorben?“
    Hendrik erkannte allmählich ein System hinter den Fragen seines Bruders. Zweifelhafte Aussagen kommentierte er nicht, überprüfte ihren Wahrheitsgehalt jedoch durch Rückfragen bei anderen Verdächtigen. Interessant!
    „Die Ärzte nannten es so. Ich würde sagen: an gebrochenem Herzen. Onkel Max war ein Tyrann. Seine Frau war unfruchtbar, das hat er sie zeit seines Lebens fühlen lassen. So hat es mir jedenfalls meine Mutter erzählt. Er wollte immer einen Sohn, einen Thronfolger. Die ständige Quälerei hat sie zerfressen.“
    „Ich würde gern von Ihnen hören, wie der gestrige Tag verlaufen ist.“
    Diana schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, was sie mit einem Mal in ein verletzbares junges Mädchen verwandelte. „Beim Frühstück gab es den üblichen Streit. Onkel Hermann versuchte, Onkel Max zu irgendeinem Geschäft zu bewegen, was der halsstarrig ablehnte. Das Übliche. Dann kam Friedrich mit einem eigenen Vorschlag, den beide ignorierten, was ihn ziemlich wütend machte. Ebenfalls das Übliche. Ich war froh, als ich aus dem Haus war. Ich bin zur Universität gegangen –“
    „Sie studieren? Welches Fach?“
    „Physik.“
    „Physik?“, platzte es aus Gregor heraus.
    Auch Hendrik war überrascht. Sie wirkte nicht wie jemand, der den Dingen auf den Grund gehen wollte.
    „Haben Sie etwas dagegen?“
    „Nun ja, ich –“
    „Glauben Sie etwa auch, der Platz einer Frau sei in der Küche?“
    „Ich –“
    „Es hat mich viel gekostet, dahin zu gelangen, wo ich jetzt bin; ich muss mir Ihre Herablassung nicht gefallen lassen!“
    „Ich habe doch überhaupt nicht –“
    „Tut mir Leid“, sagte sie unvermittelt. „Ich habe meinen Onkel nicht gemocht, aber ich bin mit den Nerven runter.“
    Sie war sprunghaft wie eine Heuschrecke und brachte Gregor damit aus dem Konzept. „Erzählen Sie weiter vom gestrigen Tag“, fing er sich schließlich. „Wann kamen Sie nach Hause?“
    „Gegen fünf. Ich habe nicht mit den anderen zu Abend gegessen, was mir sicher wieder Minuspunkte eingetragen hat. Wie sehr man sich auch auf die Nerven geht, eine Familie hat gefälligst den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Ich habe mich umgezogen, weil ich ins Theater wollte.“
    „Allein?“
    „Mit Herrn Leibold, Alexander Leibold. Er ist Assistent von Professor Planck. Wir wollten uns über meine berufliche Zukunft unterhalten, und weil er meine Schwäche für Musik und Theater kennt, hat er mich zu Max Reinhardts Hamlet eingeladen. Das Stück begann um sieben, falls es Sie interessiert. Daher bin ich erst um Mitternacht nach Hause gekommen – ein weiterer Minuspunkt, den ich in den nächsten Wochen mit Sicherheit noch ein paarmal aufs Brot geschmiert bekomme. Sie verstehen schon: Eine unverheiratete Frau treibt sich nicht nachts auf den Straßen herum oder so ähnlich.
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