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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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Sie das Arbeitszimmer verließen?“
    „Lassen Sie mich nachdenken … wir haben nicht lange geredet … vielleicht eine Viertelstunde. Also etwa Viertel nach acht.“
    „Erzählen Sie uns, was Sie nach dem Gespräch gemacht haben.“
    „Ich fürchte, wenn Sie auf ein Alibi aus sind, kann ich Ihnen keins bieten. Ich war müde und habe mich ins Bett gelegt.“
    Gregor befragte auch Friedrich nach möglichen Feinden seines Bruders, den Broschecks und Thor, doch es kam nichts Neues dabei heraus.
     
    Das Verhör der Angestellten verlief kurz. Elsa, das Hausmädchen, bestätigte den Ablauf des Abendessens und präzisierte die Zeitangaben. Danach hatte das Essen gegen sechs Uhr dreißig begonnen, und eine Dreiviertelstunde später war Max Unger in sein Arbeitszimmer gegangen. Nach dem Abwasch war Elsa todmüde ins Bett gefallen und hatte daher weder etwas gesehen noch gehört.
    Auch Joseph, der Diener, hatte nichts bemerkt, was der Erwähnung wert gewesen wäre, und vervollständigte lediglich die Angaben, das Auffinden der Leiche betreffend. Danach hatte er Max Unger in der Frühe wecken wollen, als dieser nicht zur gewohnten Zeit erschien, und war, nachdem er ihn nicht im Schlafzimmer vorgefunden hatte, hinüber in den Seitentrakt gegangen, weil es öfters vorkam, dass der Industrielle dort über seinen Unterlagen einschlief. Der einzig interessante Aspekt in der Befragung betraf den großen Unbekannten.
    „Herr Unger hatte, laut Terminkalender, am späten Abend eine Verabredung mit einem gewissen Thor“, kam Gregor auf diesen Punkt zu sprechen.
    „Dazu kann ich nichts sagen. Der Nebentrakt hat einen eigenen Eingang, Besuchern öffnete der gnädige Herr dort immer selbst.“
    „Gewiss. Die Person, mit der Herr Unger verabredet war, scheint allerdings schon einmal hier gewesen zu sein, und zwar am …“
    „12. Februar um acht Uhr abends“, half Hendrik aus.
    Joseph dachte nach. „Am 12. …“ Sein Gesicht hellte sich auf. „Jetzt weiß ich wieder! Das war der Tag, an dem mein Schwager aus der Gefangenschaft kam. Ja, ich erinnere mich! Es war ein Offizier, seinem ganzen Gebaren nach, obgleich er Zivil trug. Ich habe ihn nie zuvor gesehen, er stellte sich auch nicht mit Namen vor. Irgendwie benahm er sich ein bisschen heimlichtuerisch, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.“
    „Können Sie den Mann beschreiben?“
    „Nun … er war nicht besonders groß und hatte so ein kleines Bärtchen auf der Oberlippe. Und er trug einen grauen Cutaway, wenn ich mich recht entsinne, der hinten unter dem Kragen geflickt war.“
    Mit dieser mageren Ausbeute musste sich der Kommissar schließlich zufrieden geben und Joseph entlassen.
     
    Gregor hatte gerade den Mund geöffnet, um einen Kommentar zum bisher Gehörten abzugeben, als die Tür aufgerissen wurde und ein Wirbelsturm von einem Meter sechzig den Raum erfüllte. Sie war eines jener zarten Persönchen, die den Eindruck erweckten, beim kleinsten Windhauch davongepustet zu werden, tatsächlich jedoch in puncto Zähigkeit jedem Matrosen zeigen konnten, was eine Harke ist. Schon von Natur aus schmächtig, hatten die vergangenen Hungerjahre ihre Spuren in Form von bleichen Wangen und einer dürren Taille hinterlassen. Umso grotesker wirkten ihr modebewusstes Äußeres und ihr offenkundiger Mangel an gesundem Farbempfinden. Hendrik stöhnte innerlich auf. Eine leuchtend grüne Bluse biss sich mit einem gemusterten Rock undefinierbarer Farbe und einem beigen Gürtel. Außerdem hatte die Frau ein Faible für Jugendstilschmuck, der zu nichts von alledem passte. Ihre Augen allerdings waren von einem hinreißenden Blau und ihr Schmollmund einfach entzückend!
    „Warum dauert das alles so lange?“, schimpfte sie. „Können Sie sich nicht vorstellen, wie belastend diese Warterei für uns ist?“
    „Beruhigen Sie sich, Fräulein Unger –“
    „Escher, Diana Escher, nicht Unger!“
    Hendrik, der gehofft hatte, von dieser Naturkatastrophe verschont zu bleiben, sah sich getäuscht, als die junge Dame sich abrupt zu ihm umwandte. „Und wer sind Sie?“, fauchte sie.
    Unter ihrem wenig schmeichelhaften Blick, dem weder die zerknitterte Kleidung noch die wirren Haare zu entgehen schienen, verspürte Hendrik das irrationale Bedürfnis nachzuprüfen, ob er auch vollständig bekleidet war. Es kostete ihn seine ganze Willenskraft, gegen den Impuls anzukämpfen, eine Krawatte zurechtzurücken, die er gar nicht trug. „Wenn Sie eine Antwort wollen, sollten Sie vielleicht mal für
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