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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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er nickte nur, als habe er es nicht anders erwartet. „Zunächst einmal würde ich gern etwas über das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Brüdern wissen.“
    „Max hat das Unternehmen geführt, ich stand ihm dabei zur Seite. Privat hat jeder sein eigenes Leben gelebt.“
    „Sie übernehmen jetzt die Leitung?“
    „Wenn das Testament nichts anderes sagt …“
    „Sie und Ihr Bruder hatten unterschiedliche Ansichten über die Führung der Firma?“
    „Er war ein Narr. Es ist ärgerlich, wenn man aus einem profitablen Unternehmen einen Konzern von Weltgeltung machen könnte, aber täglich mit ansehen muss, wie ein Dummkopf ohne Weitblick falsche Entscheidungen fällt. Max war immer übervorsichtig. Seine Expansionsbemühungen erschöpften sich in Fusionen mit gleichartigen Unternehmen.“
    „Klingt doch ganz vernünftig.“
    „Kleinkariertes Denken! Die Zeiten, in denen uns derartige Kapitalspekulationen weiterbrachten, sind passee. Vertikale Konzentration, das ist die Devise! Durch Beteiligungen einander ergänzende Unternehmen zusammenführen und so eine rationelle Verbundwirtschaft schaffen, da liegt die Zukunft! Der Zusammenschluss mit Stahlkonzernen beispielsweise, um sich eine zuverlässige Rohstoffbasis zu sichern und unabhängig zu werden. Jetzt, wo wir vor einer Inflation stehen, ist die ideale Zeit, um zu investieren. Aber Max konnte immer nur kurzsichtig denken.“
    „Sie glauben an eine Inflation?“
    Hermann Unger sah Gregor an, als sei der geistig minderbemittelt. „Das liegt doch wohl auf der Hand!“
    „Ah. Nun … in Zukunft werden jedenfalls Sie den Kurs Ihrer Firma bestimmen.“
    „Falls Sie damit andeuten wollen, ich hätte Max umgebracht, kann ich nur sagen: Ich entledige mich meiner Gegner auf weniger plumpe Weise. Es tut mir nicht Leid, dass er tot ist, ich werde Ihnen keine Trauer vorspielen. Trotzdem will ich, dass der Scheißkerl, der ihn auf dem Gewissen hat, an die Wand gestellt wird. In was für Zeiten leben wir, dass Bolschewisten von Tür zu Tür gehen und ungestraft Menschen abschlachten können?“
    „Sie glauben, die Tat war politisch motiviert?“
    „Was sonst? Diese Leute haben schon immer versucht, uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen und unsere Arbeiter zum Streik aufzuhetzen. Der Bolschewismus –“
    „Verstehe. Wie war das Verhältnis zwischen Ihren Brüdern?“
    „Max konnte sich unaufhörlich über Friedrichs Dummheit ärgern. Monatelang trug er ihm nach, wenn der mal wieder auf Betrüger reingefallen war.“
    „Und Sie? Haben Sie sich nicht geärgert?“
    „Es war Friedrichs Geld. Außerdem wissen wir seit langem, dass er von Geschäften nichts versteht. Deswegen hält er’s ja auch mit den Sozialdemokraten. Max hätte ihm eine Abfindung zahlen und ihn rauswerfen sollen.“
    Die Auskünfte schienen Gregor zu genügen, denn er wechselte das Thema. „Würden Sie uns bitte erzählen, was Sie gestern gemacht haben?“
    „Tagsüber war ich im Werk, anschließend haben wir alle hier zu Abend gegessen. Danach habe ich mich zurückgezogen und über ein paar Zahlen gebrütet.“
    „Und später?“
    „Ging ich spazieren. Ich halte mich den ganzen Tag in Gebäuden auf, da brauche ich abends frische Luft.“
    „Wann war das?“
    „Ziemlich bald nach dem Abendessen.“
    „Und wann kamen Sie zurück?“
    „Gegen elf, schätze ich.“
    „Ein langer Spaziergang.“
    „Sie können darüber denken, wie Sie wollen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“
    „Als Ihr Bruder den Esstisch verließ, war er da wie immer?“
    „Sicher.“
    „Ist Ihnen beim Weggehen oder Zurückkommen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“
    „Nein.“
    „Wie haben Sie vom Tod Ihres Bruders erfahren?“
    „Joseph überbrachte mir die Nachricht. Einer der wenigen zuverlässigen Diener. Er hat ihn gefunden und ganz richtig entschieden, zuerst zu mir zu kommen. Ich habe mich davon überzeugt, dass Max wirklich tot war, und dann veranlasst, dass die Polizei geholt wird.“
    „Haben Sie irgendetwas im Arbeitszimmer verändert?“
    „Nur den Puls gefühlt, sonst nichts. Ich dachte, es wäre wichtig, alles zu lassen, wie ich es vorgefunden habe.“
    Das war ein erfreulicher Umstand und keineswegs selbstverständlich, wie Hendrik wusste. Hatte sich doch Gregor oft genug darüber aufgeregt, dass selbst die zuerst am Tatort eintreffenden Beamten erst einmal „Ordnung schafften“.
    „Sagt Ihnen der Name Broscheck etwas?“
    „Broscheck … Broscheck … kommt mir irgendwie bekannt vor,
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