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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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Eigentlich wollte Herr Leibold sich Das Cabinet des Dr. Caligari im Kino ansehen, aber ich war schon in der Premiere.“ Sie bemerkte, wie Hendrik das Gesicht verzog, und stürzte sich darauf wie ein Geier auf seine Beute. „Mögen Sie den Film nicht?“
    „Ich kann nicht viel damit anfangen“, sagte er vage, in der Hoffnung, einer weiteren Konfrontation zu entgehen. Offenbar kannte er sie da schlecht.
    „Die wundervolle expressionistische Traumwelt, die suggestive Bildkraft …“
    „Ist mir zu künstlich.“
    „Sie sind mehr für Kohlhiesels Töchter , was?“
    Hendrik grinste. Der Schlagabtausch mit ihr begann, ihm Spaß zu machen. Sie parierte mit klugen Spitzen. Plötzlich wusste er, was für ein Gesicht er ihrer Karikatur geben musste, und mit sicherem Strich entwarf er den Kopf eines Eichhörnchens.
    „Dies ist eine Morduntersuchung, kein Zirkus“, sagte Gregor verärgert. „Halten wir einfach fest, dass Sie kulturbegeistert sind.“
    „Ich komme aus Baden-Baden, da ist der Hund begraben. Ich genieße das kulturelle Angebot hier. Sooft ich kann, besuche ich ein Theater oder ein Konzert.“
    „Als Sie nach Hause kamen – haben Sie da etwas Ungewöhnliches bemerkt? Stand beispielsweise die Tür zum Nebentrakt offen?“
    Zwei Falten traten zwischen ihre Augenbrauen, als sie sich zu erinnern suchte. Dann schüttelte sie entschieden den Kopf. „Nein, mir ist nichts aufgefallen.“
    „Fahren Sie fort!“
    „Es haben schon alle geschlafen, als ich zurückkam, glaube ich. Ich habe mich ebenfalls hingelegt, bis ich heute Morgen von der Aufregung über Onkel Max’ Tod wach wurde.“
    „Die ständigen Streitigkeiten zwischen den Brüdern … würden Sie sagen, dass die ernsthafter Natur waren?“
    „Oh ja. Vor allen Dingen zwischen Onkel Hermann und Onkel Max. Die setzten ihre Meinungsverschiedenheiten auch im Werk fort. Und Friedrich ist auf jeden windigen Betrüger zwischen hier und Moskau reingefallen, das war ein ständiger Quell des Ärgers.“
    „Mir fällt auf, dass Sie ihn nicht Onkel nennen.“
    „Er ist mehr wie ein junger Bruder für mich. Obwohl er siebzehn Jahre älter ist.“
    „Er behauptet, Max Unger hätte nach der gestrigen Unterredung seinen Wert eingesehen.“
    Diana lachte. „Das klingt ganz nach ihm. Er wollte immer von seinen Brüdern anerkannt werden. Ich wage zu behaupten, er glaubt selber daran. Friedrich lebt in einer Traumwelt.“
    „Was meinen Sie, werden Sie im Testament bedacht?“
    „Kann ich mir nicht vorstellen. Abgesehen von unserer gegenseitigen Abneigung war Onkel Max nicht der Typ Mensch, der seine Verwandten beschenkt. Seine Sorgen drehten sich einzig und allein um das Unternehmen.“
    „Ärgert Sie das?“
    „Ist mir egal. Es wäre zwar gelogen zu behaupten, dass ich reich bin, aber eine kleine Rücklage besitze ich schon. Was Onkel Max und Onkel Hermann ziemlich gewurmt hat, weil sie dadurch außerstande waren, mir vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.“
    „Haben Sie den Namen Broscheck schon mal gehört? Ein Arbeiter Ihres Onkels.“
    „Nein. Was ist mit ihm? Ist er verdächtig?“
    „Wie steht es mit Thor?“
    „Sagt mir auch nichts.“
    „Dann haben Sie vielen Dank, das wäre vorerst alles.“
    Sie machte keine Anstalten, sich zu erheben. „Wie ich sehe, sind Sie überlastet“, sagte sie. „Ich … möchte Sie unterstützen. Erlauben Sie mir, Ihnen bei Ihrer Untersuchung behilflich zu sein!“
    „Sehr freundlich, aber diese Arbeit überlassen Sie besser der Polizei.“
    „Soll ich mich etwa zurücklehnen und Däumchen drehen, während ein Mörder meine Familie bedroht? Auf keinen Fall!“
    „Dann will ich mich deutlicher ausdrücken: Ich werde keiner Tatverdächtigen erlauben, die Ermittlungen zu stören.“
    „Ha!“, rief sie und sprang auf. „Sie wollen mir Befehle erteilen?“
    „Allerdings! Ich verbiete Ihnen, sich einzumischen!“
    „Hindern Sie mich daran!“, erwiderte sie und marschierte erhobenen Kopfes hinaus.
    „Bande!“, sagte Gregor verärgert. „Sie lügen alle.“
    Amüsiert erhob Hendrik sich aus dem Sessel. „Und das wundert dich? Um der Polizei die Wahrheit zu sagen, müssten die Leute sie sich erst einmal selbst eingestehen. Deine Fragen stören die vielen kleinen Lebenslügen, mit denen Menschen sich nun einmal einrichten.“
    „Woher weiß sie, dass ich überlastet bin?“
    „Meiner unmaßgeblichen Meinung nach war das ein reichlich kühner Schluss aus der Beobachtung deiner Ringe unter den Augen
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