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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond
Autoren: Susanne Picard
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ignorierte den Geruch nach brackigem Wasser, der den Soldaten umgab und der ihm fast den Magen umdrehte. »Und du wirst mir sicher gleich sagen, warum mir diese … Ehre zuteilwird.«
    Der Elb hätte ihn für diese Antwort am liebsten geschlagen. Seine Hand zuckte an das Schwert, das er an der Hüfte trug.
    Sinan zwang sich, den Blick nicht abzuwenden.
    Für einen Augenblick war es still. Dann wurde der Geruch nach schalem Wasser vom bitteren Duft zerriebener Blätter vertrieben. Ein anderer Mann trat vor und schob den Wachmann mit einer ruhigen, aber bestimmten Geste beiseite. Natürliche Autorität umgab ihn. Sie war so stark, dass Sinan sich zwingen musste, nicht zurückzuweichen und vor Kälte zu schaudern. Im Gegensatz zur Wache war das hier ein Elb von hohem Rang. Das konnte Sinan an seinem Harnisch sehen, der aus vielen kleinen Lederstücken bestand, die mit feinen Stahlringen verbunden waren. Auch sein Waffengurt war viel besser gearbeitet als der des Soldaten. Sinan konnte auf der mit Brokat überzogenen Schwertscheide sogar Goldstickereien erkennen.
    Sinan schluckte und hob den Kopf. Diese Angst, die tief in seinen Knochen saß, war nichts weiter als Instinkt, und dem würde er nicht nachgeben. Er erinnerte sich an seinen Zorn auf das Volk des Goldmondes, der nicht nur wegen der Zerstörung Kharisars in ihm brannte.
    Die Angst verblasste.
    Der Wachsoldat schnaubte verächtlich, doch der Hauptmann erwiderte Sinans Blick nachdenklich.
    »Ich suche einen Dunkelmagier, der die Erde und das Feuer gleichermaßen beherrscht.«
    »Wenn du einen Schmied suchst, solltest du nach Githalad fragen«, erwiderte Sinan und versuchte, gleichmütig zu klingen.
    »In diesem Fall ist Githalad nutzlos«, erklärte der Hauptmann. Seiner Stimme war nicht zu entnehmen, ob er es bedauerte, stattdessen einen so trotzigen Menschen wie Sinan ansprechen zu müssen.
    Sinan zog die Augenbrauen hoch, doch er antwortete nicht. Er empfand Widerwillen. Widerwillen dagegen, Githalad, den er nicht mochte und der doch ein Mensch war wie er, auszustechen. Und Widerwillen, sich den Elben mit einer positiven Antwort in die Hände zu spielen.
    Schließlich ergriff der Elb wieder das Wort. »Das Zeichen aufdeinem Arm zeigt, dass du ein Dunkelmagier bist, der den Segen seines Schöpfers erhielt«, sagte er. »Githalad dagegen hat sein Handwerk in seiner Familie erlernt. Doch er meinte, für die Aufgabe, mit der ich zu dir komme, reiche das nicht aus.«
    Sinan senkte langsam den Blick, obwohl es ihm widerstrebte, die Elben um sich herum aus den Augen zu lassen. Sein Blick fiel auf seinen Unterarm, auf dem die Ausläufer jenes Mals zu sehen waren, das er vor vielen Jahren vom Dunklen Mond erhalten hatte. Langgezogene Flammen in der Farbe, die man erhielt, wenn man das Rot der Erde und das Gelb des Feuers zu gleichen Teilen mischte, zeichneten die Form seiner Muskeln nach. In den Flammen blutrote Linien, einige plan und eben, manche geformt wie Kristalle als die Gaben der Erde. Jede der Formen war von einer dunklen, schwarzbraunen Linie gesäumt, die das Licht zu schlucken schien: Symbol dafür, dass der Dunkle Mond ihm und der Magie in ihm seinen Segen gegeben hatte.
    Es war nicht das erste Mal, dass Sinan den Tag verfluchte, an dem er es erhalten hatte.
    »Das daikon des Heerführers ist beschädigt«, sagte der Hauptmann nach einer Pause, als Sinan auch weiterhin schwieg. »Er hat mich beauftragt, unter den Dunkelmagiern, die der König in Kharisar fand, einen Waffenschmied zu suchen, der ein so altes und kostbares Schwert wie das seine neu schmieden kann.«
    Sinan antwortete wieder nicht. Doch diesmal war es seiner Überraschung geschuldet, nicht seinem Trotz.
    Das hatte er nicht erwartet.
    Doch der Gedanke, auf den Bruder des Mannes zu treffen, der bereits mehrfach sein Leben zerstört hatte, weckte sein Interesse. Er hob den Blick erneut zum Hauptmann.
    »Also sucht der Heerführer nach mir«, sagte er leise.
    Die Augen des Hauptmanns verengten sich. Zum ersten Mal war eine Regung auf seinem Gesicht zu erkennen.
    Sinan wusste nicht zu deuten, ob es Unbehagen oder Zorn war.
    »Du bist doch ein Schmied.« Das klang ungehalten. »Das dai k on des Heerführers ist kostbar. Githalad sagte, du wärst der Einzige im Heerzug, der in der Lage wäre, es zu erneuern.«
    Sinan konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er hatte geglaubt, es gäbe nur noch Ungerechtigkeit auf der Welt. Aber vielleicht griff Ys, Herrin über das Gleichgewicht, doch manchmal noch
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