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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond
Autoren: Susanne Picard
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gleichermaßen. Ihm war, als entzöge ihm das kalt glitzernde Band Kraft, auch wenn er es nicht deutlicher spürte als ein Haar auf der Haut.
    Die Wolken hatten sich wieder geschlossen, als sie im Lager eintrafen. Die Gefangenen hatten ihre Behausungen nicht im befestigten Fort der Elben selbst, sondern davor. Man hatte einen Platz vor der provisorischen Palisade abgeteilt und mit Raqor-Gebüsch umgeben, dessen fingerlange giftige Dornen jeden, der bei Sinnen war, davon abhielten, sich hindurchzukämpfen.
    Sie treiben uns wie Vieh in einen Pferch, dachte Sinan grimmig und blieb stehen, während sich die anderen durch den schmalen Durchgang in dem zwei Klafter hoch aufragenden Dornengesträuch drängten. Der Boden des runden Platzes war hier, wie am Ufer des Lithon, durch den andauernden Frühlingsregen aufgeweicht und schlammig. Selbst provisorischen Unterständen bot er kein sicheres Fundament. Die Gefangenen waren zumeist Erd- und Feuermagier und hätten den Boden schnell trocknen können, doch die Anwendung von Magie war innerhalb der Dornen nicht möglich. Man misstraute den Energien der Erde und des Feuers und hatte alle Magie darin gebannt. Dass auch Wasser- und Luftmagier ihre Kräfte an niemandem innerhalb der Dornen anwenden konnten, war nur ein schwacher Trost und machte die behelfsmäßig errichteten Schuppen, in denen je zehn der Gefangenen gemeinsam hausten, nicht besser.
    Immerhin hatten die Hirten und Pferdemeister dafür sorgen können, dass jeder der Gefangenen mittlerweile eine Decke aus Filz besaß, die in den Nächten die Kälte ein wenig vertrieb. Zudem schliefen die Menschen gemeinsam auf einem Podest, einem lannon , wie es bei den Menschen Sitte war, die den Norden und den kühlen Osten Vyranars bewohnten. Normalerweise war dieses Podest beheizt, doch hier musste die gegenseitige Wärme reichen. Sinan und die anderen Handwerker sorgten regelmäßig dafür, dass die Dächer dicht waren und es nicht in die Unterstände hineinregnete.
    Sinan zog es das Herz zusammen, als er die wenigen Männer sah, die das jämmerliche Lager bevölkerten. Die Zahl der Frauen war noch geringer. Die Elben hatten nur wenige Gefangene gemacht; ausschließlich Menschen, denen so viel Magie innewohnte, um nützlich zu sein. Die anderen hatte der Elbenkönig nach dem Kampf den Soldaten überlassen, die die Stadt für ihn in den kommenden Jahren besetzt halten würden.
    Für die Überlebenden der einjährigen Belagerung war das unter Umständen ein härteres Los, als wenn sie versklavt und auf den Heerzug nach Süden mitgenommen worden wären. Sinan wusste, was man sich über den Statthalter erzählte, dem Tarind die Amtsgeschäfte übertragen hatte. Ein Verwandter des Königs, ein Magier des Wassers und der Kälte, der in seinem Hass auf die Magien des Dunklen Mondes ebenso unerbittlich war wie Tarind selbst.
    Sinan ließ den anderen den Vortritt. Er hatte es nicht eilig, sich in den kläglichen Unterstand zurückzuziehen, wo nichts auf ihnwartete als das Gemeinschaftslager, zusammengepfercht mit den anderen. Doch als er als Letzter den schmalen Eingang dorthin passieren wollte, hielt ein Elb ihn grob zurück.
    »He!«
    Sinan blieb zögernd stehen. Die Angst, die in Gegenwart der Elben jeden Menschen überfiel und die er tagsüber meist unterdrücken konnte, wuchs und drohte, ihn zu überwältigen. Er ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte gegen die irrationale Furcht an.
    Er hatte sich heute verbotenerweise an die Bruchkante des Steilufers gewagt. Githalad hatte ihn gewarnt, doch eigentlich hatte Sinan geglaubt, dass der elbische Soldat ihn ausreichend hatte büßen lassen. Es konnte den Elben nicht daran gelegen sein, die Gefangenen über Gebühr zu strafen und sie aus purer Lust an der Folter zu quälen; die Menschen befanden sich hier, weil der König sich von den Fähigkeiten jedes Einzelnen von ihnen einen Vorteil versprach. Wer nicht irgendeinen Wert hatte, war in Kharisar zurückgelassen worden.
    Sinan spürte einen Stoß gegen die Schulter. »Ich rede mit dir!«
    Er hob kurz den Kopf und sah dem elbischen Soldaten ins Gesicht, der ihn vor wenigen Stunden fast hätte ersticken lassen. Obwohl Sinan unter den Menschen als groß galt, überragte ihn dieser Soldat noch um eine Handbreit. Wie die meisten Soldaten in König Tarinds Heer hatte auch er einen Teil seines glatten Haars zu einem Knoten auf dem Kopf gewunden und starrte nun verächtlich auf den Menschen herab.
    »Das tust du«, gab Sinan zurück und
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