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Höllenstadt

Höllenstadt

Titel: Höllenstadt
Autoren: Jason Dark
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Das Schreien des Säuglings riß Martha Caine aus dem Schlaf!
    Es war nicht ungewohnt für sie, die Mutter, nachdem der kleine Morton zur Welt gekommen war, und das lag erst knapp sechs Wochen zurück. Aber dieses Schreien hatte sich anders angehört. Es steckte voller Angst und Panik, deshalb war Martha sofort alarmiert. Obwohl sie sich auch fragte, ob kleine Kinder tatsächlich ihre Angst durch Schreien ausdrücken konnten.
    Sie und der Junge waren allein im Haus. Der Vater arbeitete in der Nacht. Er war bei der Bahn beschäftigt und hatte Wechselschicht. So trug Martha die Verantwortung.
    Längst hatte sie sich aufgerichtet und saß jetzt auf der Bettkante. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck, als hätte sie Essig getrunken. Zugleich wunderte sich die Frau über sich selbst. Normalerweise wäre sie aufgestanden und in den Nebenraum gehetzt, in dem auch das kleine Bett stand. In dieser Nacht war alles anders. Eine Riesenhand stoppte sie!
    Morton schrie weiter, jetzt jedoch anders.
    Nicht mehr so laut und schrill. Er jammerte mehr, als wollte er seine Gefühle durch diese bestimmten Laute zum Ausdruck bringen. Ein wehleidiges Jammern, tief in seinem Innern geboren, Seelenqualen ausdrückend, fast ohne Pause, als liefe ein Uhrwerk ab, das jemand aufgedreht hatte.
    Auch Martha fühlte sich ähnlich. Sie hätte gern losgeschrien. Statt dessen hockte sie auf dem Fleck und krallte ihre Hände in den Stoff des dünnen Nachthemds.
    Ich bin die Mutter! Ich muß für mein Kind sorgen! Ich muß es vor Gefahren beschützen. Es ist ein Teil von mir. Aus meinen Leib entsprungen. Ich bin verpflichtet, ihm zu helfen.
    Sie tat es nicht. Und sie wunderte sich darüber, weshalb sie es nicht tat. Dabei stand sie dicht vor einer Zerreißprobe. Angespannte Nerven. Die Angst als Begleiter neben ihr. Der kalte Schweiß auf dem Gesicht und dem Körper. Das Wimmern des Kindes. Eine schreckliche Melodie, die wie eine Säge in ihre Herzkammer hineinschnitt.
    Dann war es vorbei.
    Nichts mehr.
    Kein Auslaufen, kein Aufbäumen, einfach nichts. Ins Leere gelaufen. Vergangen, verklungen. Statt dessen umfing sie wieder die Stille der Nacht.
    Diese Stille! schoß es ihr durch den Kopf. Diese verfluchte Stille! Sie konnte schlimmer sein als das Schreien ihres Kindes. Sie drückte, sie belastete. Sie war die berühmte Ruhe vor dem Sturm, und sie brachte den kalten Schauer mit, der über Marthas Rücken rieselte. Eingeschlafen – endlich. Morton war endlich eingeschlafen. Sehr gut. Es muß ein Traum gewesen sein, den er durchlitten hatte. Kurz, aber heftig. Er hatte sich gefürchtet und war aufgewacht, doch das war jetzt vorbei.
    Glücklicherweise.
    Martha Caine lächelte. Sie atmete tief durch. Warum sollte es Kindern anders ergehen als Erwachsenen? Auch sie träumten, auch sie hatten Gefühle, und diese wiederum mußten sich freie Bahn verschaffen, und so waren die Träume nur ganz natürlich.
    Ruhe, alles war okay. War es das wirklich?
    Nein, Martha Caine konnte es nicht bestätigen. Die Säge bedrohte noch immer ihr Herz! Und die Furcht steigerte sich ins Unermeßliche.
    Martha Caine stand auf. Sie hatte kaum eine halbe Minute auf der Bettkante gesessen, doch ihr war es wie eine Stunde vorgekommen. Sie war total verschwitzt.
    Es waren nur drei Schritte bis zur Tür. Das Zimmer des Kleinen lag direkt neben dem Schlafzimmer der Eltern.
    Martha hatte die Tür bereits erreicht und wollte den Knauf umfassen, als sie stoppte. Gestoppt wurde. Eine gewaltige Zange packte sie von zwei Seiten!
    Es war Wahnsinn, es mußte eine Täuschung sein, das wollte sich Martha auch einreden – doch sie schaffte es nicht. Das war keine Täuschung, kein Irrtum – die Geräusche existierten tatsächlich. Geräusche – keine menschlichen Laute! Was da aus dem Zimmer ihres Sohnes drang, war einfach furchtbar. Kein Babyschreien, nein, etwas anderes, das Martha an eine bestimmte Szenerie erinnerte.
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie das Innere eines Schweinestalles, in dem sich nur ein Tier befand. Ein gemästetes Schwein. Es bewegte sich unförmig durch den eigenen Dreck, schleifte beinahe mit dem Bauch über den Boden und grunzte laut.
    Und genau dieses Geräusch vernahm die Frau aus dem Kinderzimmer!
    Ihre rechte Hand berührte noch immer den Knauf. Aber sie drehte ihn nicht. Haut und Metall waren festgeklebt. Solch widerlichen Laute konnte doch kein Kind abgegeben haben. Laute, die bei ihr Angst und Ekel erzeugten.
    Das Grunzen blieb. Es klang abgehackt. Zwischendurch
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