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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond
Autoren: Susanne Picard
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scharfen, reißenden Ton durch den Webteppich, auf dem er lag.
    Hustend versuchte Telarion, sich aufzurichten, doch wieder überrollte ihn eine Flut, die bis tief in seine Lungen drang und ihm die Luft zum Atmen nahm.
    Er ging in die Knie.
    Einen Wimpernschlag später hatten sich kraftvolle Finger erbarmungslos in seine kurzen Haare gegraben und rissen seinen Kopf herum.
    »Glaubtest du, du könntest mich im Kampf besiegen?«, wisperte Tarind.
    »Das …« Telarion musste wieder husten, um seine Lungen vom Wasser zu befreien, das ihn zu ertränken drohte. »Das kann ich sicher nicht, wenn du deine Magie … in einem Kampf Klinge gegen Klinge einsetzt. Denn du weißt sehr wohl, dass ich nicht über das Wasser gebiete.«
    »Nein, kleiner Bruder«, sagte Tarind fast zärtlich, doch seine Finger packten Telarions Haare nur umso fester. »Das tust du nicht. Und bevor ich dem größten Verräter, den mein Volk je hervorbrachte, mit meiner Magie das Bewusstsein nehme, werde ich das Feuer töten, das diese Hexe in dir hinterlassen hat.«
    Wieder spürte Telarion, wie die Wellen eines aufgepeitschten Meers über ihn hinwegrollten, ihn erfassten und in die kleinste Faser seines Seins drangen. Er schloss die Augen und griff in seinen Windwirbel, um einen Sturm zu entfachen, der das Meer von ihm fortdrängen und ihm wieder ein wenig Luft verschaffen würde. Doch die Wasser waren stärker, stürzten wieder und wieder über ihn herein und ertränkten jeden Luftzug, der das Wasser hätte vertreiben können.
    Das Schlimmste aber war, dass die hereinbrechenden Wellen auch das Feuer in ihm zu löschen drohten. Telarion wurde erst jetzt, in dem Moment, in dem sie zu erlöschen drohten, bewusst, dass diese Flammen den Windwirbel seiner Seele am Leben hielten. Erst mit dem Feuer Sanaras hatte die stille, kalte Luft einer klaren und doch endlosen Nacht dem frischen Wind Platz gemacht, der den Anbruch des neuen Tages ankündigte. So wie die Weiße Sonne am Morgen das Versprechen des neuen Tages beinhaltete, hatte ihre Magie die seine genährt.
    Erst jetzt wurde ihm klar, dass die Flammen, seine Verbundenheit mit der Tochter der Amadians, wahrhaftig ein Geschenk der Ys waren.
    Du bist der erste Frühlingstag nach dem Winter.
    Du existierst durch sie, wie sie durch dich.
    Angst erfasste Telarion, als Tarind nun begann, das Leben, das Ys ihm geschenkt hatte, aus ihm herauszureißen, indem er eine Flamme nach der anderen mit seinen Wellen ertränkte.
    Er wusste, wenn die letzte Flamme erloschen war, war nicht nur die Magie Sanara Amadians aus ihm verschwunden. Dann würde Tarind auch ihn getötet haben. Er musste das Feuer schützen. Nur mit diesem Feuer würde es auch weiterhin seinen Wind geben, seine Seele, seine Magie.
    Ihn selbst.
    Er konzentrierte sich auf das lohgelbe Feuer mit den schwarzen Rauchschlieren, griff hinein und achtete weder darauf, dass es ihm die Handflächen zu verbrennen drohte, noch dass die unablässig über ihn hinwegbrechenden Wellen ihn davonspülen wollten.
    Schließlich saß eine Flamme von klarem Gelb auf seiner Hand, doch wieder wurde er von einem Wasserstrudel erfasst und musste kämpfen, um nicht darin unterzugehen. Wasser drang in ihn ein, überflutete ihn, riss ihn davon. Als der Angriff endlich nachließ, wurde Telarion bewusst, dass das Feuer in ihm erloschen war.
    Es gab nur noch eine einzige Flamme – die, die er in der hohlen Hand barg.
    Er verdrängte die abgrundtiefe Verzweiflung, die das in ihm auslöste, und genoss für einen Sekundenbruchteil ihre lebendig leuchtende Reinheit, die heitere Wärme, die davon ausging und das Wesen der Frau, das sich darin verbarg.
    Dann blies er zart darauf und sprach ein paar Worte des Lebens. Die Flamme gehorchte, sprang in ihn hinein und erfüllte ihn mit ihrer Kraft. Rasch griff Telarion in den Sand, mit dem man den Boden seines ethandin ausgestreut hatte, bevor man die Bodenteppiche und die Rindenstücke des Yondarbaums darüberlegte, und der nun aus dem Riss, den das daikon des Königs verursacht hatte, hervorquoll.
    Die einzelnen Körner in Telarions Hand glühten auf, als das Feuer in ihm in den Sand fuhr, doch sie konnten ihn nicht mehr verbrennen. Seine Finger umklammerten den Sand unwillkürlich, denn ihn abzugeben, sie fortzuwerfen, schien den Tod seines eigenen Wesens einzuschließen – warf er damit doch das letzte Feuer, das er noch von Sanara besaß, fort.
    Doch erneut erfasste ihn eine der magischen Wellen Tarinds und füllte seine Lungen mit
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