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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond
Autoren: Susanne Picard
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der seinen Zwilling getötet hatte.
    Dieser Schmied ist wahrlich ein Nachfahre des Vakaran. Seine Waffe hat ihren Zweck erfüllt, auch wenn er es so sicher nicht beabsichtigte.
    Die Weisen sagen, die Strafe der Schöpfergeister lässt sich nie verhindern. Wer es versucht, der wird erst recht ihren Zorn zu spüren bekommen.
    Die Weisen hatten recht. Telarion hatte dem Bruder Vatermord vorgeworfen – und sich eines Brudermordes schuldig gemacht.
    Er horchte wieder in sich hinein.
    Der Windwirbel seiner Seele wehte noch. Doch es erfreute ihn nicht.
    Die frische Kälte und das goldene Leben, denen er sein eigenes verdankte, waren schon lange fort.
    Heute hatte der Kampf mit Tarinds Wassermagie das Feuer gelöscht, das ihn ihm gebrannt und die Luft in ihm vor Freude hattewirbeln lassen. Und nun war auch das Wasser, das den Wind nährte und ihm Substanz gab, sodass er Wolken bilden konnte, verschwunden.
    Da war nur noch leerer Wind ohne Licht, ohne Kälte, ohne Leben und ohne Wasser; Wind, der weinte und heulte, als fege er durch lange verlassene Ruinen und finde dort niemanden mehr.
    Es gab nur noch Trauer.
    Telarion fiel auf die Knie, barg das Gesicht in den Händen und schrie den Verlust und die Einsamkeit, die seine Seele nie wieder verlassen würde, hinaus.
    Die Weiße Sonne verschwand hinter den fernen Bergkämmen, und die Rote Stunde brach an.
    Das Licht wurde düsterer, aber die Hitze des Tages verging noch nicht.
    Telarion Norandar trat aus der kühlen Dunkelheit seines Unterschlupfs in das Licht, das die Savanne unter ihm noch einmal erwärmte, bevor es sich in der Kälte der Nacht verlor.
    Er fürchtete die Rote Stunde nicht mehr. Das Land unter ihm sah aus wie mit Blut übergossen, genau wie die Abhänge der Berge, deren Gipfel er sich näherte. Nur noch ein oder zwei Tage, dann konnte er mit dem Abstieg zum Lithon beginnen.
    Bisher hatte er die letzte Stunde des Tages immer im Dunkeln zugebracht, wenn möglich vor dem Schrein des Vanar. Doch den kleinen Reise-Schrein hatte er zurücklassen müssen, und so war diese Zeit des Tages nun der Erinnerung an Sanara Amadian gewidmet und ihrem Feuer in ihm. Er versäumte es nicht mehr, dem Untergang der Roten Sonne zuzusehen. Jeder Strahl war ein Gruß, war wie ein Streicheln ihrer ungewohnt warmen Finger auf seiner Haut.
    Er blickte auf das armselige Lager. Es war nichts weiter als eine Sandkuhle, in der die Decke lag, die er als eines der wenigen Gepäckstücke behalten hatte.
    Sein Proviant ging allmählich zur Neige. Das getrocknete Fleisch, das Brot und die gedörrten Früchte, die er hatte mitnehmen können, würden gerade eben noch reichen, bis er am Lithon ankam. Er würde dort einen Ort finden müssen, um über den Fluss zu setzen und seinen Weg nach Norden fortsetzen zu können; wenn er Glück hatte, konnte er dort vielleicht seine Heilkünste einsetzen, um neue Lebensmittel zu erhalten.
    Bitter dachte er an seine Flucht zurück. Iram Landarias hatte ihn mit Feuerdorn gebunden, der violett gefärbte Brandnarben an seinen Handgelenken hinterlassen hatte. Es war, als wäre zu den grünen, goldgeränderten Wolken, die seinen Schildarm über die Schulter hinweg bis auf die Brust bedeckten, wo sie in den Luftbaum der Norandar-Elben übergingen, ein anderes, fremdes Zeichen hinzugekommen: Ranken, die sich bis in sein Inneres hineingefressen hatten, auch wenn sie nur an den Unterarmen zu sehen waren und langsam verblassten.
    Telarions Sturm, die ihm eigene Kälte, hatte den Dorn erfrieren lassen, sodass er ihn in einem unbeobachteten Moment hatte zerbrechen können, doch es hatte Mühe gekostet, das unheilige Feuer, das Iram mit Hilfe seiner Macht über Triebe und Ranken entfacht hatte, erstarren zu lassen, sodass es sich nicht tiefer in ihn fraß und seine Magie verletzte.
    Telarion musste lächeln, als ihm die Ähnlichkeit seiner Flucht mit der Sanaras bewusst wurde. Es lag eine gewisse Gerechtigkeit darin.
    Die Rote Sonne näherte sich dem Horizont, und nichts in der weiten Steppe unter ihm wies auf Verfolger hin. Das beruhigte ihn ein wenig, doch auch wenn er heute wieder niemanden gesehen hatte, wusste er, sie würden kommen. Seit Tagen bereits hatte er das untrügliche Gefühl, dass man ihn beobachtete, auch wenn sich tagsüber keine Spuren einer Verfolgung entdecken ließen.
    Doch Telarion wusste nun, dass Ireti ihre dunkle Gabe, die Jenseitigen Ebenen zu besuchen, auf jede Weise nutzen würde, und sei sie noch so unehrenhaft.
    Er war fast dankbar dafür,
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