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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond
Autoren: Susanne Picard
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Blitzen, die den Wirbelwind seiner Seele zu einem heftigen Gewittersturm aufpeitschten.
    Erschrocken ließ er den Griff des Dolches los, nicht aber den Bruder, dessen Kopf nun an die Brust des Zwillings fiel. Als der Körper Tarinds zu Boden zu gleiten drohte, fing Telarion ihn auf. Er zog den Bruder auf seinen Schoß und spürte mit Entsetzen, wie die Magie in Tarind langsam erlosch. Telarion griff in sich, strich heilende Magie über die Wunde, schickte den Wind in den glimmenden Sand, der die Quelle in Tarind verschüttet hatte, um sie wieder freizulegen.
    Vergeblich. Der glühende Sand hatte bereits den Teich erstickt. Nun bedeutete die Kraft des qasarags den Tod. Der goldene Regen wurde weniger, bis er nur noch tröpfelte.
    Plötzlich stießen kühle Hände ihn mit einem düsteren Ruf, der wie Donner nicht nur in der Realität erklang, sondern auch in der Seele schmerzte, von Tarind fort.
    »Fort von meinem Gemahl!«
    Telarion, der immer noch den brennenden Sand im Teich seines Bruders vor dem Bild der Realität sah, bemerkte jetzt, dass sich eine dunkle Gestalt zwischen ihn und Tarind schob und ihrerseits den Kopf des Königs aufnahm. Es war eine Flamme, die alles Licht zu schlucken schien, sodass nur ein tiefvioletter Rand auf ihre Form schließen ließ.
    Telarion blinzelte und erkannte, dass Ireti Landarias neben Tarind kniete. Sie trug eines ihrer weiten Gewänder, ihr nachtdunkles Haar hing wie ein düsterer Vorhang neben ihrem blassen Gesicht und war wie immer nur zwischen den Schulterblättern lose von einem dünnen Band gehalten.
    Ihre blassen Finger glitten langsam über Tarinds Gesicht, dann seine Kehle hinab bis zur Wunde in der Brust des Königs, wo sie schließlich an der Waffe innehielten, die Telarion in seinen Bruder gestoßen hatte.
    »Ein qasarag «, murmelte die Königin. Sie umfasste langsam den Griff aus Amethystglas, dann riss sie die Waffe mit einem Ruck aus dem Leib ihres Gemahls.
    Telarion schrie auf und stürzte vor. »Dummes Weib, so wird er ohne einen Heiler, der es noch verhindern könnte, ausbluten!«, rief er und schlug Ireti die Waffe aus der Hand.
    Einen Augenblick später wurde er mit einer Kraft fortgeschleudert, die nicht von der Königin ausging.
    Die Spitze eines Langschwerts der Menschen bohrte sich in seine Wange.
    »Ihr werdet meiner Schwester kein weiteres Leid zufügen, Fürst«, sagte Iram Landarias. »Und auch nicht meinem Ziehbruder und König!«
    Plötzlich war ein Jammern zu hören, das immer lauter wurde und bis auf die Seelenebene hallte.
    »Nein! Nein, mein Gemahl, geh nicht fort, bleib hier!«
    Ein schluchzender Schrei erklang, der in Telarion widerhallte, als stünden sie in den weiten Grotten, den heiligen Hallen des Vanar, am Östlichen Meer. Die Klage verebbte nur langsam, dann herrschte Stille.
    »Er ist tot! Die Seele des Königs ist fort!«, flüsterte die Königin.
    Telarion hörte es, als wispere sie es direkt in sein Ohr, und doch hatte er den Eindruck, als erreiche ihre Stimme ihn aus einer Ferne, die ihren Ursprung in der Leere jenseits der diesseitigen Welt hatte.
    Langsam richtete er sich auf und sah hinüber zu dem schlaffen Körper, den Ireti in ihren Armen wiegte. Die Augen der Königin, sonst von strahlendem Blau, waren nun dunkel, als habe ihre runde Pupille darin sich geweitet und die Iris verdrängt. Der König in ihren Armen war leblos, das Gesicht dort, wo keine Brandwunden mehr schwelten, war grau geworden.
    Telarion konnte es nicht glauben. Er schloss kurz die Augen, um wieder die Abbilder zu sehen, die alle magischen Wesen auf der Ebene der Seelen in ihm hinterließen.
    Er sah den Baum der Magie des Iram Landarias, der Flammen als Früchte trug, und auch die dunkle Flamme Iretis, geschwungen wie die Wellen des Meeres.
    Dahinter tauchten jetzt viele andere auf, blau, türkis und dunkelgrün wie die Pflanzen, einige wenige gesprenkelt mit Gelb und Rot. Die Soldaten und Generäle kamen heran, um zu sehen, was hier, im ethandin des Heermeisters, vor sich ging.
    Langsam, als fürchte er sich, richtete Telarion den Blick auf den leblosen Körper seines Zwillings.
    Doch über dem Leib seines Bruders war kein Abbild mehr zu sehen. Da war nur Dunkelheit.
    Telarion war allein.
    Neben Iretis dunkler, lodernder Seelenflamme blitzte etwas auf.
    Der qasarag .
    Der Anblick des Dolches schmerzte den Heermeister, als habe man ihn damit verletzt, und kurz zuckte die bittere Ironie durch Telarions Gedanken, dass es ausgerechnet dieser Dolch gewesen war,
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