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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass
Autoren: Alistair MacLean
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    D er Saloon, der zu dem Hotel gehörte, das nicht so wirkte, als habe es den Namen ›Imperial‹ jemals zu Recht gehabt, machte einen erdrückend trostlosen Eindruck. An den schmuddeligen, rissigen Wänden hingen in willkürlichem Durcheinander vergilbte Bilder von Männern, die durchweg wie walroßbärtige Desperados aussahen und bei deren Betrachtung man unwillkürlich die dazugehörigen Fahndungsangaben vermißte. Die reichlich mitgenommenen, unglaublich verbogenen Fußbodenbretter hatten eine Farbe, im Vergleich zu der der Anstrich der Wände geradezu frisch erschien. Überall standen ganz offensichtlich häufig verfehlte Spucknäpfe, und die dunklen Flecken unter den Zigarettenstummeln, die zu Hunderten auf dem Boden lagen, zeugten davon, daß die Besucher dieses Etablissements keine übertriebene Angst vor Zimmerbränden hatten. Die Schirme der Petroleumlampen waren ebenso wie die Decke des Raumes rußgeschwärzt und der große Spiegel an der Wand hinter der Theke war halbblind vor Schmutz. – Alles in allem war das Luxushotel von Reese City mit seinem Saloon nicht gerade das, was sich ein erschöpfter Reisender erträumte. Und was die Gäste betraf, so sahen die meisten von ihnen nicht so aus, daß man sich gerne zu ihnen an den Tisch gesetzt hätte. Es waren fast ausnahmslos schäbig gekleidete, unrasierte ältere Männer, die mit trostlosen Mienen in ihre Whiskygläser starrten, als sähen sie auf deren Boden ihre nicht minder trostlose Zukunft vor sich.
    Der Barkeeper, ein kurzsichtiges Individuum mit einer Schürze, die er – vermutlich um dem Problem zu begegnen, das es bedeutete, sie von Zeit zu Zeit waschen zu müssen – schon vor langer Zeit genialerweise schwarz eingefärbt hatte, schien sich auch nicht viel wohler zu fühlen: Mit mißmutigem Gesicht versuchte er mit Hilfe eines geradezu antiken Handtuchs, an dem man nur bei ganz genauem Hinsehen ein paar Stellen entdecken konnte, die darauf schließen ließen, daß es ursprünglich einmal weiß gewesen war, ein mehrfach gesprungenes und angeschlagenes Glas auszupolieren.
    Im ganzen Saloon gab es nur einen einzigen Tisch, an dem gesprochen wurde. Er stand in der Nähe der Tür und an ihm saßen sechs Leute – drei von ihnen mit dem Rücken zur Wand auf einer hochlehnigen Bank. Der Mann, der auf der Bank in der Mitte saß, war fraglos die dominierende Persönlichkeit der Runde. Er war groß und schlank und tief gebräunt, und die vielen kleinen Fältchen um seine Augen deuteten darauf hin, daß er einen Großteil seines Lebens in der Sonne verbracht hatte. Er trug die Uniform eines Colonels der US-Kavallerie, war ungefähr fünfzig Jahre alt, ungewöhnlicherweise glatt rasiert und hatte unter einer nur mühsam gebändigten, silbergrauen Mähne ein scharf geschnittenes und intelligentes Gesicht, dessen Ausdruck in diesem Augenblick kaum als entgegenkommend zu bezeichnen war.
    Sein Blick war auf einen Mann gerichtet, der ihm gegenüber am Tisch stand – ein großer, kräftig gebauter, ganz in schwarz gekleideter Bursche mit finsterer Miene und einem haarfeinen, schwarzen Oberlippenbärtchen. Auf seiner Brust glitzerte die Plakette, die ihn als US-Marshal auswies. Er sagte: »Aber Colonel Claremont, unter Umständen wie diesen ist es doch zweifellos –«
    »Vorschriften sind Vorschriften«, unterbrach ihn Claremont und man merkte ihm deutlich an, daß er gewohnt war, daß seine Autorität respektiert wurde. »Armeeangelegenheiten sind Armeeangelegenheiten. Zivile Angelegenheiten sind zivile Angelegenheiten. Es tut mir leid, Marshal – äh –«
    »Pearce. Nathan Pearce.«
    »Natürlich. Selbstverständlich. Entschuldigen Sie. Ich hätte es wissen müssen.« Claremont schüttelte bedauernd den Kopf, aber in seiner Stimme lag nicht die Spur von Bedauern. »Es ist ein Truppentransport. In diesem Zug werden keine Zivilisten befördert – außer mit besonderer Genehmigung von Washington.«
    Pearce sagte freundlich: »Stehen wir nicht gewissermaßen alle im Dienste der Regierung?«
    »Nach den Armeebestimmungen nicht!«
    »Ich verstehe«, nickte Pearce, aber er sah nicht so aus, als verstünde er es tatsächlich. Er betrachtete nachdenklich die übrigen fünf, darunter eine junge Frau: Niemand trug eine Uniform. Schließlich blieb sein Blick an einem kleinen schmächtigen Mann mit hoher gewölbter Stirn und beginnender Glatze hängen, der einen Gehrock und einen Priesterkragen trug und ständig so aussah, als fürchte er sich. Er wand sich
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