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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass
Autoren: Alistair MacLean
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in der Armee etwas getan haben will, muß man sich um alles selbst kümmern.« Er stieß seinen Stuhl zurück und stand auf. »Entschuldigen Sie mich, Gouverneur, aber wir müssen in einer halben Stunde abfahren. Ich bin gleich zurück.«
    Pearce nahm O'Brien am Arm und zog ihn zur Bar: »Wir müssen uns beeilen – wir haben schließlich nur eine halbe Stunde, um zehn Jahre nachzuholen.«
    »Einen Augenblick noch, meine Herren!« Der Gouverneur griff in seine Aktentasche und holte ein versiegeltes Päckchen heraus. »Das hätten wir beinahe vergessen, Major.«
    »Vor lauter Wiedersehensfreude«, sagte O'Brien und gab das Päckchen an Pearce weiter. »Der Marshal von Ogden bat uns, Ihnen dies zu übergeben.«
    Pearce bedankte sich mit einem Kopfnicken, und die beiden Männer setzten ihren Weg zur Bar fort. O'Brien ließ seine Blicke scheinbar ziellos umherwandern, aber seinen lächelnden Augen entging nichts. In den letzten fünf Minuten hatte sich nichts verändert, niemand schien sich bewegt zu haben – die alten Männer an der Theke und an den Tischen hätten ebensogut aus einem Wachsfigurenkabinett stammen können. Plötzlich ging die Tür auf, und fünf Männer kamen herein, setzten sich an einen Tisch, und einer von ihnen zog ein Kartenspiel aus der Tasche. Keiner von ihnen sprach ein Wort.
    »Die Einwohner von Reese City sprühen ja förmlich vor Lebenslust«, bemerkte O'Brien ironisch.
    »Alle lebenslustigen Einwohner, eingeschlossen einige, denen man in den Sattel helfen mußte – sind vor ein paar Monaten fortgeritten, als man in Comstock auf die große Goldmine gestoßen war. Übrig geblieben sind die alten Männer, und von denen gibt es weiß Gott nicht sehr viele, denn hierzulande ist es ziemlich schwierig, alt zu werden. Hier leben jetzt nur noch die Säufer und die Landstreicher, die Faulen und Tagediebe. Nicht daß ich mich beklage, aber Reese City braucht etwa genauso dringend einen Marshal wie der Gemeindefriedhof.« Pearce seufzte, hob zwei Finger, um dem Barkeeper klarzumachen, daß er zwei Gläser hinstellen sollte, zog ein Messer aus der Tasche, öffnete das Päckchen, das O'Brien ihm gegeben hatte, entnahm ihm einen Stoß Steckbriefe und breitete sie auf der Theke aus.
    »Sie scheinen nicht sonderlich begeistert«, sagte O'Brien.
    »Bin ich auch nicht. Wenn ich die Konterfeis bekomme, sind die Halunken meist schon ein halbes Jahr in Mexiko. Aber gewöhnlich stehen sowieso die falschen Namen unter den Bildern.«
    Das Bahnhofsgebäude von Reese City befand sich ungefähr im gleichen Zustand wie die Bar des Hotels Imperial. Die heißen Sommer und eisigen Winter im Gebirge hatten auf den Holzwänden ihre Spuren hinterlassen, und obwohl es noch keine vier Jahre alt war, sah das Gebäude aus, als würde es jeden Moment in die Knie brechen, und an den ehemals goldenen Buchstaben, die besagten, daß man sich auf dem Bahnhof von Reese City befand, hatte sich die Witterung derart gütlich getan, daß sie so gut wie unlesbar waren.
    Colonel Claremont schob das Stück Segeltuch beiseite, das die längst in ihren rostigen Angeln verrottete Tür ersetzte und rief nach dem Bahnhofsvorsteher. Es kam keine Antwort. Wäre der Colonel mit den Gepflogenheiten in Reese City vertrauter gewesen, hätte ihn dies nicht überrascht: Der Stationsvorsteher – einziger Angestellter der Union Pacific Railways in Reese City – war mit Ausnahme der Zeit, die er mit Schlafen, Essen und Abfertigen der Züge verbrachte, wobei letzteres nur sehr selten von ihm verlangt wurde und ihn freundliche Telegraphisten entlang der Eisenbahnlinie jeweils rechtzeitig darauf vorbereiteten, mit Sicherheit im Hinterzimmer des Hotels Imperial zu finden, wo er Whisky konsumierte, als koste er ihn keinen Pfennig – was auch den Tatsachen entsprach: Zwischen dem Hotelbesitzer und dem Stationsvorsteher bestand ein unausgesprochenes Abkommen – obwohl der gesamte Alkoholbedarf des Hotels mit dem Zug aus Ogden kam, hatte das Hotel seit nahezu drei Jahren keine Frachtrechnung mehr erhalten.
    Zornig trat Claremont hinaus und blickte den Truppentransportzug entlang. An die Lokomotive und den Tender, die hoch mit Holzscheiten beladen waren, schlossen sich sieben Reisewagen und ein Bremswagen an. Daß der vierte und fünfte Waggon in Wirklichkeit nicht zur Beförderung von Personen gedacht waren, ging eindeutig daraus hervor, daß in beide je eine breite Rampe aus schweren Rundhölzern führte. Am Fuß der einen Rampe stand ein stämmiger,
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