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Nevada Pass

Nevada Pass

Titel: Nevada Pass
Autoren: Alistair MacLean
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förmlich unter dem durchdringenden Blick des Marshals, und sein vorspringender Adamsapfel bewegte sich auf und ab, als schlucke er unentwegt.
    Claremont, der Pearces Blick bemerkt hatte, erklärte kühl: »Reverend Theodore Peabody hat sowohl eine ausdrückliche Genehmigung als auch besondere Fähigkeiten.« Es war klar erkennbar, daß Claremont große Achtung vor dem Priester hatte. »Sein Vetter ist der Privatsekretär des Präsidenten. Reverend Peabody wird als Seelsorger in Virginia City arbeiten.«
    »Er wird was?« Pearce streifte den sich nun buchstäblich windenden Priester mit einem Blick und wandte sich dann fassungslos an Claremont: »Das ist doch der helle Wahnsinn! Da hätte er ja sogar bei den Pajute-Indianern bessere Überlebenschancen.«
    Peabody fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen: »Aber – aber es heißt doch, daß die Pajute jeden weißen Mann sofort töten.«
    »Nein, nicht sofort. Meistens ziehen sie die Sache ganz schön in die Länge.« Pearces Blick wanderte weiter. Neben dem jetzt regelrecht entsetzten Geistlichen saß eine massige Gestalt in einem großkarierten Anzug, deren mächtiger Schädel zu ihrem Körperbau paßte. Der Mann lächelte breit und sagte mit dröhnender Stimme: »Dr. Edward Molyneux, wenn's recht ist, Marshal.«
    »Ich nehme an, Sie fahren ebenfalls nach Virginia City. Sie werden alle Hände voll damit zu tun haben, Totenscheine auszufüllen. Und ich fürchte, Sie werden nur höchst selten natürliche Todesursachen angeben können.«
    Molyneux erwiderte gespielt hoheitsvoll: »Derartige Stätten des Lasters betrete ich nicht. Ich bin als Arzt nach Fort Humboldt verpflichtet. Daß ich keine Uniform trage, liegt daran, daß man bislang noch keine gefunden hat, in die ich hineinpasse.«
    Pearce nickte, wechselte höflichkeitshalber noch ein paar Worte mit dem Arzt und ließ dann den Blick weiterwandern. Mit leicht gereizter Stimme sagte Claremont: »Ich werde Ihnen die Mühe eines individuellen Verhörs ersparen, aber nicht, weil ich der Ansicht bin, daß wir dazu verpflichtet sind, sondern aus reiner Höflichkeit.« Falls Claremont dies als Zurechtweisung gemeint hatte, kam er nicht in den Genuß einer Reaktion. Er wies auf den Mann zu seiner Rechten, eine imposante Erscheinung mit langem, weißem Haar, Schnurrbart und Bart, die so aussah, wie man sich einen Senator vorstellt. Abgesehen von dem Bart hatte er eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit Mark Twain. Claremont sagte: »Gouverneur Fairchild von Nevada kennen Sie sicher.« Pearce nickte und wandte seine Aufmerksamkeit dann der jungen Frau zu, die links neben Claremont saß. Sie war ungefähr Mitte Zwanzig, hatte ein blasses Gesicht, rauchfarbene Augen, und die Haare, die sich aus der strengen Frisur gelöst hatten und unter dem breitkrempigen grauen Filzhut hervorragten, waren schwarz wie die Nacht. Sie saß zusammengekauert da und hatte sich ganz fest in ihren grauen Mantel gewickelt: Der Besitzer des Hotels Imperial war nicht bereit, seine Verdienstspanne dadurch zu reduzieren, daß er die Brennstoffvorräte für den Holzofen über Gebühr beanspruchte. »Miss Marica Fairchild, die Nichte des Gouverneurs«, erklärte Claremont.
    »Aha!« Pearce blickte von ihr zum Colonel. »Der neue Quartiermeister?«
    Claremont erwiderte kurz: »Sie zieht zu ihrem Vater, dem Kommandanten von Fort Humboldt. Rangältere Offiziere haben dieses Privileg.« Er deutete auf den Mann zu seiner Linken: »Der Adjutant des Gouverneurs und sein Verbindungsoffizier zur Armee, Major Bernard O'Brien. Major O'Brien hat –«
    Er brach ab und sah Pearce neugierig an: Pearce ließ den Blick nicht von O'Brien, einem stämmigen, sonnengebräunten Mann mit einem runden, fröhlichen Gesicht. O'Brien erwiderte den Blick mit wachsendem Interesse und sprang schließlich in plötzlichem Wiedererkennen auf. Die beiden Männer schüttelten sich strahlend die Hände und schlugen sich gegenseitig auf den Rücken. Die Stammgäste des Hotels Imperial betrachteten die Szene voller Staunen: Keiner der Anwesenden konnte sich erinnern, daß Major Nathan Pearce jemals auch nur andeutungsweise irgendwelche Gefühle geäußert hatte.
    O'Brien war hell begeistert. »Sergeant Pearce! Ich hätte Sie nie erkannt. In Chattanooga war Ihr Bart doch –«
    »Fast so lang wie der Ihre, Lieutenant.«
    »Major«, korrigierte O'Brien mit gespielter Strenge und fügte traurig hinzu: »Die Beförderung kommt langsam, aber sie kommt. Nathan Pearce! Der beste
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