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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will
Autoren: April Henry
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geschnitten. Aber meine Mom sagt, dass die Sehnen und Nerven keine bleibenden Schäden davontragen werden, ihr Softball-Stipendium sollte davon also unbeeinträchtigt bleiben. Ihr Kopf ist kahl rasiert und voller Nähte und sie scherzt, er würde sogar wie ein Softball aussehen. Sie meint, dass ihr vielleicht genügend Haare für einen Kurzhaarschnitt wachsen, bis im Herbst das College anfängt.
    Drews Arm musste mit siebzehn Stichen genäht werden und er brauchte ein paar Blutkonserven, aber auch ihm geht es gut. Meine Eltern haben ihn behandelt, genau wie Kayla. Mich durften sie nicht behandeln, was sie aber nicht davon abhielt, etliche Male nach mir zu sehen, während ein plastischer Chirurg die Stichwunde an meinem Hals nähte. Dank Kaylas Einsatz ist sie nicht sehr tief und es wurde auch nichts Wichtiges verletzt. Meine Eltern versichern mir immer wieder, dass die Narbe kaum größer als eine Bleistiftspitze sein wird. Nach allem, was passiert ist, ist mir das herzlich egal.
    Der Mann ist tot. Er hatte sogar einen Namen, doch es war nicht John Robertson, wie er Drew bei der Bestellung sagte. Er hieß Ronald Hewett. Er arbeitete von zu Hause, baute Architekturmodelle. Und er legte einen Raum in Lebensgröße in seinem Keller an, der perfekte Ort, um ein Mädchen zu verstecken. Die Polizei fand auf seinem Computer Notizen zu jeder Frau und jedem Mädchen, das bei Pete arbeitet, ihre Vor- und Nachteile als Opfer und wie er sie am besten entführen könnte. Ein Mädchen hatte er sich ausgesucht - mich - und eine Nacht. Als nicht ich auftauchte, sondern Kayla, zog er seinen Plan trotzdem durch. Ich kann mir vorstellen, dass er der Typ Mensch ist, der nicht gern von Plänen abweicht. Dann schrieb er, dass Kayla eine totale Enttäuschung war. Dass ich viel besser gewesen wäre. Ich versuche, nicht groß darüber nachzudenken.
    Hewett war nicht vorbestraft, aber gestern hat die Polizei sein Grundstück mit einem Spürhund abgesucht. Auf seinem Hof vergraben fand man ein Mädchen mit einem Kopfschuss. Sie war vor mehr als sechs Monaten aus Beaverton verschwunden. Alle dachten, sie wäre einfach von zu Hause abgehauen. Auch über sie versuche ich nicht weiter nachzudenken.
    Und Cody Renfrew, der junge Mann, der sich erschossen hat, nachdem er mit Elizabeth Lamb, der sogenannten Hellseherin, gesprochen hat? Vermutlich hatte er einfach das Pech, genau in der Nacht, in der Kayla verschwand, in der Nähe zu sein. Das Meth hat ihn paranoid gemacht und der Vermisstenfall war dann einfach zu viel für ihn.
    Jemand klopft an die angelehnte Tür. Es ist Drew, dessen rechter Arm vom Ellbogen bis zum Handgelenk bandagiert ist. »Ladys, Ihre Kutschen stehen bereit«, sagt er. Er stößt die Tür auf und ich sehe, dass mein Dad einen leeren Rollstuhl schiebt. Hinter ihm stehen unsere Mütter - ebenfalls mit Rollstühlen. Drew nickt meiner Mom zu und setzt sich dann in den Rollstuhl, den sie schiebt. Er bückt sich und klappt die Fußstützen aus.
    »Das ist ein Scherz, oder?«, sage ich zu meinem Dad.
    Er zwinkert. »Krankenhausvorschrift, Kleines.« Seit ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde, behandeln mich meine Eltern ganz anders, sie scherzen mit mir. Ich habe sie sogar beide weinen sehen, zum ersten Mal.
    Die Hälfte der Belegschaft lauert grinsend im Hintergrund. Ich habe den Eindruck, wir sind hier seit Langem die aufregendsten Patienten. Wir haben so viele Blumen bekommen, dass wir die Schwestern gebeten haben, sie den anderen Patienten im Krankenhaus zu geben. Und wir hatten Interviewanfragen von jedem Fernsehsender und jeder Zeitung. Aber wir haben einfach abgelehnt. Kayla, Drew und ich haben am ersten Abend darüber gesprochen und beschlossen, dass wir der Welt nicht alles mitteilen müssen.
    Mein Dad schiebt den Rollstuhl an mein Bett. »Dann wollen wir mal. Kaylas Dad wartet draußen bei der Laderampe und dort steht auch unser Auto. »Lasst uns von hier verschwinden, bevor die Medien etwas davon mitbekommen.«
    »Sieht so aus, als würdet ihr heute die Lieferfahrten machen«, sagt Kayla.
    Da meine und Kaylas Eltern nie in Petes Pizzeria gearbeitet haben, geht die Anspielung komplett an ihnen vorbei. Aber Drew, Kayla und ich sehen uns an. Wir lächeln nicht - das müssen wir nicht. Wir wissen, wie viel wir einander zu verdanken haben, wie knapp wir dem Tod entkommen sind.
    »Dann wird es Zeit für die Bestellung!«, sage ich und setze mich in den Rollstuhl. »Drei Mittelgroße mit allem.«
    Kayla lässt sich auf ihrem
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