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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will
Autoren: April Henry
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aus, dass es Kayla ist. Ich hoffe, es ist Kayla. Ich ramme die Schulter wieder gegen die Tür und achte nicht auf den Schmerz.
    Oder sollte ich lieber hoffen, dass sie es nicht ist?
    Gaby sagt der Polizei, wo wir sind und ihre Worte überschlagen sich fast vor Panik. Ich höre, wie sie etwas von einem Mann mit einer Waffe und Schreien erzählt. Aber Kaylas Namen erwähnt sie dabei nicht. Was vermutlich eine gute Idee ist, wenn sie uns glauben sollen.
    Meine Schulter fühlt sich an, als wäre sie gebrochen, die Tür aber hat sich keinen Millimeter gerührt. Dann fällt mir der Montierhebel wieder ein. Ich zerschlage damit die Scheibe oben in der Tür und stoße dann die größten Scherben heraus. Doch das Schloss ist ziemlich weit unten. Ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen und meinen Arm ganz nach unten strecken, um am Schloss drehen zu können. Eine Scherbe schneidet mir in den Arm, als ich ihn wieder herausziehe, aber es tut nicht weh. Ich spüre nur kurz, wie sie mir in die Haut schneidet.
    Ich öffne die Tür, schwinge den Montierhebel und knurre böse, als würde der Mann genau vor uns stehen. Gaby hält sich dicht hinter mir.
    »Sie sind unterwegs«, sagt sie und steckt das Handy wieder in die Tasche. Aber uns ist beiden klar, dass Kayla - oder wer da auch immer schreit - bis dahin tot sein könnte.
    »Gib mir Deckung«, sage ich, weil es in der Situation passend klingt. Gaby hebt die Waffe auf Schulterhöhe und ich kann nur hoffen, dass sie mich damit nicht erschießt. Wir eilen auf den ausgetretenen Holzstufen hinab in die Dunkelheit. Direkt um die Ecke schreit wieder jemand und ächzt vor Schmerz. Ist das wirklich Kayla? Ich weiß nur mit Sicherheit, dass es ein Mädchen ist, das da schreit.
    »Polizei!«, rufe ich und versuche so tief und autoritär wie möglich zu klingen. Vielleicht kann ich so etwas Zeit gewinnen, bis die Polizei tatsächlich hier ist.
    Am Ende der Treppe trete ich um die Ecke. Sechs Meter vor uns dringt Licht aus einem kleinen weißen Raum. Die schattenhaften Umrisse eines niedrigen Kellers mit Betonfußboden werden erkennbar. Rechts von uns meine ich aus dem Augenwinkel eine Werkbank zu erkennen. Aber meine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Mann. Er steht mit dem Gesicht zum Licht und hat uns den Rücken zugewandt. Langsam wendet er seinen Kopf.
    Im Türrahmen des kleinen fensterlosen Raums steht Kayla, wie eine Silhouette. Oh mein Gott! Ihre Haare sind verfilzt und sie sieht dürr und verdreckt aus, aber es ist Kayla, kein Zweifel. Sie hält eine kurze Latte wie einen Baseballschläger über der rechten Schulter. Damit muss sie ihn gerade geschlagen haben, denn er blutet auf einer Gesichtshälfte.
    Er tastet sein Gesicht mit einer Hand ab und seine Fingerspitzen färben sich dunkelrot vom Blut. Jetzt hebt er die Waffe.
    »Waffe runter!«, rufe ich. Aber der Mann reagiert nicht. Er wird Kayla töten.
    Gaby stöhnt. Gerade als ich mich zu ihr umdrehe, drückt sie auf den Abzug der Waffe.
    Ein ganz leises, nach Plastik klingendes Geräusch ist zu hören.
    »Autsch!« Mit der freien Hand greift sich der Mann in den Nacken. Seinen unverletzten Nacken.
    Oh verdammt. Die Wirklichkeit holt mich ein. Miguel hat keine echte Waffe im Auto. Er hat eine Luftpistole. Und dieser kleine Unterschied wird wohl darüber entscheiden, wer von uns überlebt und wer stirbt.
    Ich muss etwas unternehmen, aber wenn ich mich auf ihn stürze, könnte er Kayla erschießen. Also schreie ich und schleudere den Montierhebel auf seinen Kopf. Mit Schrecken sehe ich, wie er ihn nur um Zentimeter verfehlt und klappernd in der Dunkelheit zu Boden fällt. Beim Werfen spritzt Blut von meinen Fingerspitzen und landet auf dem Mann, auf Kayla und sogar an den Wänden, als wäre ich ein verrückter Jackson Pollock. Meine Hand und mein Arm sehen aus, als hätte ich sie in rote Farbe getunkt.
    Der Mann verzieht angewidert das Gesicht und versucht mit dem Handballen das Blut abzuwischen.
    Kayla nutzt den Moment, in dem der Mann abgelenkt ist, um abermals die Holzlatte zu schwingen. Dieses Mal zielt sie nicht auf seinen Kopf, sondern auf die Waffe. Sie schlittert über den Betonboden in die Dunkelheit.
    Jetzt heißt es drei gegen einen, und keiner ist bewaffnet. Der Spieß hat sich umgedreht.
    Plötzlich geht das Licht aus und die Karten werden abermals neu gemischt. Zwar stehen wir alle im Dunkeln - aber nur einer kennt sich im Keller aus. Vom oberen Treppenende dringt ein schwacher Lichtstrahl zu uns, das ist alles. Jeder
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