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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will
Autoren: April Henry
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Putz so blendend weiß ist, dass es fast im Dunkeln leuchtet. Die Vorhänge sind zugezogen. Die nächsten Häuser sind Hunderte Meter entfernt.
    Ich steige aus. Drew hält einen Montierhebel in der Hand. Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich lerne, wie man einen kaputten Reifen wechselt - daher weiß ich überhaupt, was es ist. Er hält ihn hoch und flüstert: »Ich dachte, wir könnten eine Waffe gebrauchen.«
    Auf einmal will ich auch eine. Doch in Miguels Kofferraum finde ich nur eine Tasche mit Sportklamotten. Ich bemühe mich, den Kofferraum so leise wie möglich wieder zuzumachen. Als Nächstes öffne ich die Fahrertür einen Spalt, strecke den Arm ins Auto und schalte die Innenbeleuchtung aus. Dann schlüpfe ich hinein und suche die Sitze und den Boden ab. Papiermüll und Kassenbons liegen herum, aber nichts Nützliches.
    Erst da kommt mir der Gedanke, im Handschuhfach nachzusehen. Und dort liegt sie. Eine Waffe.
    Ich hole sie heraus und achte darauf, dabei nicht in die Nähe des Abzugs zu fassen. Sie fühlt sich echt an. Tödlich.
    Ich steige aus und zeige Drew die Waffe, wobei ich sie auf den Boden gerichtet halte. Er blinzelt in der Dunkelheit.
    »Ach du Scheiße - Miguel hat eine Pistole?«
    »Sieht so aus.« Ich zucke jetzt schon bei dem Gedanken an das Geräusch, das sie machen kann, zusammen. »Hast du schon mal eine abgefeuert?«
    Drew schüttelt den Kopf. »Ein Freund von meiner Mutter hatte mal eine und ich habe sie auf der Kommode gesehen. Aber er hätte mir den Hintern versohlt, wenn ich sie auch nur angefasst hätte.« Er hält mir den Montierhebel hin. »Willst du tauschen?«
    Ich versuche, in dieser völlig unlogischen Situation einen logischen Gedanken zu fassen. »Ich glaube, um mit dem Montierhebel wirklich etwas ausrichten zu können, bin ich nicht stark genug. Außerdem werden wir die Waffe nicht benutzen, sondern ihm nur damit drohen, wenn es sein muss.« Ich sehe zum Haus und erkenne einen Schatten, der sich hinter dem Vorhang bewegt. »Gehen wir. Und wenn wir irgendetwas Verdächtiges sehen oder eine Spur von Kayla entdecken, rufen wir die Polizei.«
    Drew widerspricht nicht.
    Weil der Schotter zu sehr knirscht, rennen wir über die unbeleuchtete Straße. Kurz darauf kauern wir am Rand des Vorgartens. Überall im Haus brennt Licht, aber die Vorhänge sind zugezogen.
    »Sieh mal!«, flüstert Drew und zeigt auf ein großes Fenster. Zwischen den beiden Vorhanghälften klafft ein Spalt und ein senkrechter Lichtstrahl dringt nach draußen. Wir nicken einander zu und schleichen dann über den Hof. Ich fühle mich so schutzlos, als könnte mich jeden Moment ein Lichtstrahl oder eine Kugel treffen. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich atme schwer. Ich schließe den Mund, versuche kein Geräusch zu machen.
    Drew späht zuerst durchs Fenster. Er verharrt einen Moment, dann sieht er kurz zu mir und berührt meinen Arm. Er rückt ein Stück zur Seite, damit ich auch etwas sehen kann.
    Ein Mann wühlt in einer Schublade. Er ist ungefähr drei Meter von uns entfernt und hat sein Gesicht halb abgewandt. Zuerst denke ich, im Zimmer stehen lauter Puppenhäuser, doch dann erkenne ich, dass es Modellbauten sind.
    Schließlich richtet sich der Mann auf und wir können sein Gesicht sehen. Ich halte mich an Drew fest. Ich kenne diesen Typen mit den kurzen schwarzen Haaren und der Drahtgestellbrille. Er kommt ständig in die Pizzeria und macht immer Scherze. Alberne, oberflächliche Scherze, die man gleich wieder vergisst, kaum dass er sich umgedreht hat. Er bestellt immer eine Pizza ohne Fleisch. Er wirkt wie ein völlig harmloser Typ, ungefähr so alt wie mein Dad.
    Allerdings holt er jetzt eine Waffe aus der Schublade.
    Bevor wir etwas unternehmen können, dreht er sich um und eilt eine Treppe hinunter, die in der linken Ecke vom Zimmer abgeht.
    Drew und ich starren uns an. Ich krame mein Handy aus der Tasche, doch bevor ich auch nur eine Taste drücken kann, ertönt ein Schrei aus dem Keller, der mir durch Mark und Bein geht.
    Es ist der Schrei eines Mädchens.

Der vierzehnte Tag
DREW
    Gaby ruft die Polizei an, aber so lange können wir nicht mehr warten. Ich hätte auf sie hören sollen. Egal was Thayer auch gesagt hat, ich hätte ihn sofort anrufen sollen. Ich versuche es an der Haustür. Abgeschlossen. Ich ramme meine Schulter dagegen. Die Tür wackelt, bleibt aber fest im Rahmen. Ich versuche es noch einmal. Und noch einmal. Es bringt nichts.
    Kayla schreit abermals. Zumindest gehe ich davon
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