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Du lebst, solange ich es will

Du lebst, solange ich es will

Titel: Du lebst, solange ich es will
Autoren: April Henry
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Rollstuhl nieder und verzieht spielerisch das Gesicht. »Das gilt vielleicht für dich, meine Liebe. Ich bin nur eine Kleine.«

Der achtundzwanzigste Tag
DREW
    Hätte mir jemals jemand erzählt, dass ich mal an einem Bühnenrand stehen und gleich vor laufenden Kameras und einem Publikum aus lauter Polizisten mit dem Polizeichef von Portland Hände schütteln würde, hätte ich ihn gefragt, was er geraucht hat.
    Doch heute bin ich einer von vier Leuten, die von der Polizeiwache Portland eine Medaille für Zivilcourage erhalten. Ich. Drew Lyle. Der immer nur glatte Dreien bekommt. Wobei ich mir da nicht mehr so sicher bin. Ab nächstem Monat fange ich am Portland Community College eine Ausbildung als Sanitäter an. Gaby geht derweil nach Stanford, aber wahrscheinlich nicht, um Ärztin zu werden. Ihre Eltern scheinen sich langsam an die Vorstellung zu gewöhnen. Und ich hatte den Eindruck, sie mochten meine Fragen über ihre Arbeit, die ich ihnen bei den gemeinsamen Essen gestellt hatte. Ihnen zuzuhören ist spannender als jeder Biounterricht oder Gesundheitserziehung jemals war.
    Das Publikum applaudiert gerade, als Clayton Yee, der Polizeichef, den anderen beiden Bürgern die Medaillen überreicht. Die beiden sind hinter einem Sattelschlepper hergefahren, der plötzlich einem Auto mit einer Panne ausweichen musste. Dabei kam er von der Straße ab, überschlug sich und geriet in Brand. Sie zogen den Lkw-Fahrer aus dem brennenden Fahrerhaus. Jetzt stellen sich Yee und die beiden Männer für ein paar Fotos auf.
    Ich habe dieselben Klamotten an wie bei Kaylas Beerdigung. Ich entdecke sie im Publikum und lächle ihr zu. Sie lächelt zurück. Ihre Haare wachsen langsam wieder nach und sie ist schon etwas runder im Gesicht. Den Sommer über habe ich sie nur ein paarmal gesehen. Sie kam nur noch einmal in die Pizzeria, um sich zu verabschieden.
    Gabys Eltern sind da, sitzen stolz in der ersten Reihe. Meine Mutter ist nicht hier. Sie ist in der Entziehungskur. Man hat ihr die Wahl zwischen Entziehungskur und Gefängnis gelassen und sie hat sich für Ersteres entschieden. Wird sie es schaffen? Ich weiß es nicht. Das Gericht hat mich zum mündigen Minderjährigen erklärt.
    »Und jetzt möchte ich Ihnen Andrew Lyle und Gabriella Klug vorstellen«, sagt Clayton Yee. Als ich meinen vollen Vornamen höre, bin ich erst mal total durcheinander. Gaby muss mich anstupsen, damit ich auf die Bühne gehe.
    »Dank ihres selbstlosen und couragierten Handelns ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit gelang es diesen beiden jungen Menschen, das Leben ihrer Arbeitskollegin Kayla Cutler zu retten und mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod von vielen anderen jungen Frauen zu verhindern. Wer weiß, wie viele Mädchen im Keller von Ronald Hewett hätten sterben müssen, hätten diese beiden jungen Menschen nicht eingegriffen, um ihre Freundin zu retten.«
    Ein Blitzlichtgewitter bricht aus und mehrere Leute richten Mikrofone auf die Bühne.
    Wir sind zwar nicht mehr die Riesensensation wie in den ersten Tagen danach, aber auch jetzt tauchen wir hin und wieder noch unter den Top News auf den Internetseiten auf. Und es fühlt sich noch immer sehr seltsam an.
    Ich entdecke Wachtmeister Thayer im Publikum. Er hat die Arme verschränkt. Ich habe das Gefühl, wenn es nach ihm ginge, würden wir diese Auszeichnung nicht bekommen.
    Hin und wieder habe ich noch Albträume, sehe mich auf den Abzug drücken und Hewett wie einen Sack zu Boden gehen. Wie Flea Market Parade singen - manchmal fühlt es sich an, als wäre ein Verbrecher in meinem Kopf. Aber dann denke ich an Gaby und ich weiß, dass ich keine andere Wahl hatte.
    Yee beendet seine Rede. Applaus bricht aus, ich sehe zu Gaby und lächle. Wir verbeugen uns beide leicht und lassen den Applaus über uns niedergehen.

 
    April Henry schickte ihre erste Kurzgeschichte im Alter von elf Jahren an Roald Dahl, dem der Text so gut gefiel, dass er ihr bei der Veröffentlichung half. Inzwischen hat sie einige Krimis und Thriller verfasst, die in den USA für zahlreiche Preise gelistet wurden und mit denen sie zur New-York-Times-Bestsellerautorin wurde. Sie studierte an der Oregon University und verbrachte ein Austauschjahr in Stuttgart, bevor sie begann, im Gesundheitswesen zu arbeiten.
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