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Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Titel: Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Gee
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Prolog
     
    London, 1711
    Über Straßen hinweg war der Lärm zu hören. Laute Musik, Gelächter, Stimmengewirr – immer lauter, während die Festgesellschaft in den Hof strömte. Alle paar Minuten gellten neue Freudenschreie durch die Nachtluft. Es war der Maskenball des französischen Botschafters.
    Das Botschaftsgebäude am Strand erstrahlte im Kerzenlicht. Jedes Fenster der Fassade war hell erleuchtet und der Hof mit Hunderten flackernder Fackeln umstellt. Weitere Lichter säumten einen Weg hinunter zum Fluss, wo Boote den Landungssteg ansteuerten, um Scharen von Gästen auszuladen. Alle waren kostümiert: Karnevalsfiguren, russische Prinzen, chinesische Händler, Schmetterlinge und Bären, Feen und Kobolde, flötende Hirten. Weinkisten wurden geöffnet, auf silbernen Tabletts Speisen hinausgetragen, und die Maskierten tanzten und tanzten. Einzelne Gruppen verweilten im Hof, plauderten englisch oder französisch miteinander, oft in einer Mischung aus beidem. Noch mehr Gelächter, noch mehr Geplauder; endloses Hin und Her von Kutschen.
    Ein kleiner Priester verließ die Botschaft und ging auf eine Droschke zu, die draußen vor dem Tor wartete. Während er dahinschritt, wandten sich zwei maskierte Damen zu ihm um und grüßten ihn.
    »Gute Nacht, Pater.«
    Der Priester verbeugte sich und stieg in seine Droschke.
    Vom anderen Ende des Hofes riefen zwei Gestalten dem Kutscher etwas zu und rannten aufs Geratewohl auf die Kutsche zu, laut lachend und torkelnd. Sie waren in lange schwarze Seidentalare mit Kapuzen gekleidet, dem unter den Maskenballgästen gängigen Dominokostüm. Die Umrisse der Männer verschwammen vollkommen in den dunklen Falten der Roben. Einem der Männer drohte die Kapuze herabzurutschen, während er rannte. Unbeholfen zog er sie zurück, rief seinem Freund zu, er solle langsamer laufen.
    »Lass doch die verdammte Kapuze sausen!«, rief der Freund mit leicht französischem Akzent zurück. Er rannte zur Droschke des Priesters. »Pater, würdet Ihr wohl so freundlich sein …«, begann er, »mein Freund und ich …«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete der Franzose die Tür, um einzusteigen, während der andere Mann vor einer vorübergehenden Dame eine tiefe Verbeugung vollführte und sein Kostüm vollends zurechtzurrte. Dann rannte auch er zur Kutsche und kletterte im letzten Augenblick noch hinein.
    Hinter ihnen hielten Lärm und Licht des Festes unvermindert an.
    Der Priester lächelte die Kapuzenmänner unsicher an. Er sah, sie lachten beide und waren noch ganz außer Atem. Es hatte ihn beruhigt, dass der eine von ihnen mit Akzent sprach – also waren sie wahrscheinlich Katholiken. Die Droschke bog in die Straße ein und begann über das Kopfsteinpflaster zu rattern.
    Nach einer Weile fragte er: »Wohin fahren Sie denn, meine Herren?«
    Keiner der beiden antwortete.
    Die Droschke bog nach rechts ab. Sie fuhren jetzt durch eine Straße, die mit Stroh abgedeckt war, um das Hufgeklapper zu dämpfen, und plötzlich war es in der Droschke viel leiser. Die Straße war leer und dunkel; alle Lampen waren schon seit Stunden gelöscht. Er hörte den Atem der Männer, hastig und rau, aber von ihren Gesichtern sah er nichts. Sie lachten nicht mehr. Die Dunkelheit lastete auf seinem Gesicht wie eine Augenbinde. Er begann sich zu ängstigen. Wenn dieser Franzose nun wusste, wer er war?
    Er bemühte sich, ruhig zu bleiben, und wie ein Echo hörte er seine Stimme in der Düsternis des Wagens, als er seine Frage wiederholte: »Wohin wollen Sie denn?«
    Immer noch keine Antwort. Die Kehle wurde ihm eng. Womöglich waren sie gar nicht zufällig in den Wagen gesprungen? Wie einfach wäre es für zwei Gestalten im Domino gewesen, unbemerkt in dem wimmelnden Hof zu stehen und auf ihn zu warten. Er hatte bei diesem Besuch heute Abend wenig Vorsicht walten lassen.
    »Um Gottes willen, wer sind Sie?«, rief er laut. »Was wollen Sie?«
    Weder ein Laut noch eine Bewegung seitens der beiden Fremden. Plötzlich hörte der Priester Stoffrascheln und Füßescharren. Er rutschte zurück, spürte jedoch gleich die Wand der Droschke in seinem Rücken. Er öffnete den Mund, um zu schreien, da kam eine Hand aus dem Dunkel und brachte ihn zum Schweigen.
    Brutal wurde er zu Boden geschlagen, sein Hinterkopf krachte gegen die Sitzbank. Schwindel überkam ihn wie eine Woge. Einer der Männer war über ihm und presste ihn auf den Boden. Oben ertönte eine rasselnde Bewegung, als der andere Mann die Fensterblenden schloss. Er
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