Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Titel: Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Gee
Vom Netzwerk:
wusste, das war gar nicht nötig, niemand würde sie sehen in dieser einsamen Straße. Aber die Geste wirkte auf ihn, als sei eine Blende über sein Leben niedergegangen.
    Er kämpfte sich frei von dem Arm, der ihn würgte. »Sie sind zu spät«, schrie er. »Es wissen bereits andere.« Es war ein Hasardspiel – die schwächste aller Chancen.
    Es folgte eine winzige Pause.
    »Er lügt«, sagte schließlich eine andere Stimme. Englischer Akzent, hochkultiviert.
    Bevor der Priester mehr sagen konnte, spürte er die kalte Spitze einer Stahlklinge hart gegen seine Kehle gepresst.
    Verzweifelt versuchte er, zu begreifen, was geschah. Wieder öffnete er den Mund, doch als er es tat, spürte er die Messerspitze wie eine Nadel hereinfahren. Auf einmal fühlte sich seine Kehle locker an, wo sie doch eben noch vor Angst zugeschnürt war, und sein Blut strömte heraus, warm und weich wie Seide. Er spürte seine Haut und seine Kleidung heiß und klebrig werden, als es den Stoff durchweichte. Er konnte sich nicht mehr sträuben. Er war ganz schwach, seine Beine schwer; er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen; sein Geist verschwamm. Er wollte am Leben festhalten, aber die Dunkelheit umschloss ihn. Es war vorbei.

1. Kapitel
     
    »Zu kühner Tat kann auch ein kleiner Mann sich rüsten.«
    Das Schlimmste am Landleben war, dass die Häuser immer kalt waren. Alexander saß so dicht am Feuer, wie er nur konnte, ohne dass er seine Eltern von der spärlichen Wärme abschirmte. Denn er hatte den Verdacht, dass mindestens seine Mutter fror und dennoch weiter entfernt saß, um ihm die meiste Wärme zukommen zu lassen. Draußen schneite und regnete es abwechselnd, Alexander konnte es kaum unterscheiden. Schon seit drei Uhr war es dunkel. Um zwölf hatten sie zu Mittag gegessen, um vier war der Tee serviert worden, und nun waren es immer noch drei Stunden bis zum Zubettgehen. Sein Vater hatte ihm nicht erlaubt, in sein Zimmer zu gehen und zu schreiben, denn dort hatte man während des Nachmittags das Feuer vergessen, und es war erloschen. Seit Weihnachten hatte er nicht einmal zwanzig Verszeilen geschafft, und das war fast einen Monat her.
    Die Georgica lag aufgeschlagen in seinem Schoß, schon seit zwei Stunden las er dieses Gedicht. Vergil war ja schon recht, solange Alexander überzeugt sein konnte, dass auch er ein Versepos schreiben werde, ebenso gut wie die Äneis , aber heute Abend waren ihm Vergils jugendliche Verse geradezu ein Affront. Wird das immer so sein, solange ich meinem Vater gehorche?, fragte er sich. Er hörte seine Mutter hüsteln und ahnte schon, dass sie seine Gedanken unterbrechen würde.
    »Sir Anthony Englefield bittet dich, ihm einen Besuch abzustatten«, sagte sie und hielt ihm einen Brief hin. »Er bietet an, dir seine Kutsche zu schicken. Das solltest du tun. Sind nicht Teresa und Martha Blount auch gerade auf Whiteknights?«
    Er antwortete nicht, aber sein Herz tat einen Sprung bei der Erwähnung von Teresas Namen. Er blickte auf und wusste, dass er rot wurde. Die Schwestern Blount waren beide etwa in Alexanders Alter. Ihr Familiensitz Mapledurham lag auf der anderen Seite der Themse, aber die Mädchen besuchten mehrmals im Jahr ihren Großvater Sir Anthony Englefield auf Whiteknights. Wie Alexander und seine Familie waren auch die Blounts römisch-katholisch.
    »Ich bin in die Zeitpläne der Damen Blount nicht eingeweiht«, sagte er in möglichst beiläufigem Ton.
    »Aber du hast Sir Anthony doch seit Anfang Dezember nicht mehr gesehen, Alexander«, erwiderte seine Mutter. »Deine Gesundheit ist genügend wiederhergestellt. Und du solltest dich auch Frauen gegenüber gefällig zeigen«, fügte sie hinzu.
    Wenn sie wüsste, wie sehr er sich wünschte, Teresa zu gefallen, dachte Alexander. Stattdessen sagte er: »Sir Alexander hätte den Brief an mich schreiben können.«
    Alexanders Lebensgeister gerieten in Wallung, obwohl er zugleich nervös wurde. Es war doch immer so: Teresa liebte es, ihn zu necken, aber sie tat das mit einem so aufreizenden Lächeln, dass er sie nur noch heftiger liebte. Um nicht allzu bereitwillig zu erscheinen, auf Sir Alexanders Einladung zu reagieren, wandte er sich an seinen Vater, der Zeitung las.
    »Neuigkeiten aus der Stadt?«, fragte er.
    »Ein Priester ist ermordet worden, seine Leiche wurde in Shoreditch aufgefunden.«
    Alexander erschrak. Shoreditch! Dort beteten arme Katholiken immer noch gemeinsam in geheimen Andachtsräumen über den Wirtsstuben.
    »Ermordet?«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher