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Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Titel: Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Gee
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krank wurde. Die Krankheit senkte sich über sein Gedächtnis wie ein Vorhang, hüllte die Wochen und dann Monate voller Schmerzen, die folgten, in erstickende Dunkelheit. Zuerst hatten die Ärzte gedacht, er werde nicht überleben, doch langsam begann es ihm besser zu gehen, und die Genesung war für ihn quälender gewesen als die blinden Tage und Nächte fiebrigen Komas, die ihr vorangegangen waren. Seine deutlichste Erinnerung war die an einen Morgen, als er endlich imstande war, aus seinem Bett aufzustehen und ans Fenster zu gehen. Draußen waren die ersten Vorboten des Herbstes soeben dabei, die Landschaft mit Rost zu überziehen, und er war traurig, dass er einen ganzen Sommer verpasst hatte. Seine Eltern traten ins Zimmer, und hinter ihnen der Arzt. Sie hatten ihn dann auf sein Bett gesetzt, und der Arzt hatte ihm die Sache erklärt: Obgleich er die Krankheit überstanden hatte, würde sie sein Wachstum behindern. Sein Rücken würde krumm werden, bis er irgendwann unfähig wäre, sich zu bewegen. Wann das passieren würde, konnte der Arzt nicht sagen – vielleicht um die Zeit, wenn er dreißig wäre, wenn er Glück hätte, auch später.
    Und wie sich herausstellte, hatte er Glück. Mit dreiundzwanzig war sein Rücken zwar gebeugt, aber wenn er hoch aufgereckt stand, war es kaum zu merken. Er war nicht groß, aber sein Gesicht war ansehnlich, fand er. Und er war aufgeweckt und witzig. Wenn er bei guter Gesundheit war, das wusste er, konnte er sehr charmant sein.
    Eine Erinnerung an Teresa kam ihm in den Sinn – wie sie vor langer Zeit einmal an einem Sommernachmittag über den Rasen gelaufen war. Er fühlte sich wieder völlig gesund nach seiner Krankheit, war wieder ganz er selbst, und sie war fünfzehn oder sechzehn – es war, bevor ihr Vater starb. Sie hatte ihn bei den Händen gefasst und angefangen, über die Klosterschule in Paris zu erzählen, die sie besucht hatte. Wie entzückend sie damals gewesen war! Und wie entzückend sie noch immer war. Sobald seine Gedichte berühmt würden,würde er ihr einen Antrag machen, und er glaubte sicher, sie werde ihn ihrerseits mit offenen Armen empfangen. Doch jetzt blickte er erst einmal auf die Seiten auf seinem Schreibtisch. Noch immer war er dem Abschluss eines Gedichtes nicht nähergekommen. Er brauchte ein neues Thema, eins, das seiner Begabung den angemessenen Spielraum gab. In seinem Herzen wusste er, er würde es in Binfield niemals finden. Irgendwie, irgendwann musste er es nach London schaffen.
    Zwei Tage später holte ihn Sir Anthonys Kutsche nach Whiteknights. Als sie draußen vor dem alten Haus vorfuhr, sah Alexander, dass es Martha Blount war, nicht Teresa, die zu seiner Begrüßung bereitstand. Er stieg aus, und sie kam auf ihn zu, lächelnd und errötend.
    »Meine liebe Martha«, sagte er und nahm sie bei den Händen. »Gut siehst du aus.«
    »Alexander!«, rief sie. »Wir wussten ja, dass du uns heute besuchen kommst, aber du kommst schon so früh! Großvater ist noch unterwegs, seine Pächter besuchen.« Sie strich eine Locke beiseite, die ihr ins Gesicht gefallen war, aber die rutschte zurück, und mit einem kleinen Lachen schob sie sie wieder fort. Das war eine Geste, die Alexander an ihr kannte, seit sie ein kleines Mädchen war.
    Martha führte ihn durch die vornehme Eingangshalle in ein Damenzimmer, wo sie gearbeitet hatte. Als Alexander neben ihr Platz nahm, war er beinahe froh, dass die ältere Schwester nicht da war. Marthas Morgenkleid war übersät von kleinen Fusseln ihrer Näharbeit, die sie nicht bemerkt hatte. Teresa hätte sie sofort abgezupft. Er beschloss, nicht zu fragen, wo Teresa war, um diesen Moment, den er und Martha gemeinsam hatten, nicht zu verderben.
    »Ein kalter Tag für Sir Anthony, um unterwegs zu sein«, meinte er. Aber er konnte sich nicht helfen, nach einer kleinen Pause fragte er doch: »Ist deine Schwester auch unterwegs?«
    Marthas Gesicht verschloss sich einen Moment, als sie erwiderte: »Sie schreibt Briefe in ihrem Zimmer und weiß wahrscheinlich gar nicht, dass du gekommen bist.« Noch ehe er etwas sagen konnte, hatte sie sich wieder gefangen und lächelte. »Wollen wir zu ihr gehen?«, fragte sie und legte ihre Handarbeit zur Seite.
    Als sie oben das Zimmer betraten, las Teresa an ihrem Tisch am Fenster einen Brief. Blasses Sonnenlicht fiel auf ihr Gesicht und die sanften Falten ihres Seidenkleides. Auf dem Schreibtisch stand eine kleine Vase mit Schneeglöckchen und Narzissen; Alexander vermutete, dass
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