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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen
Autoren: Daniel Mezger
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Wir spielen Land. Sind hierhergezogen in dieses Haus, das eigentlich zu alt ist, um ernst genommen zu werden, wir reißen die alten Böden raus, ohne Geld für neue zu haben, es kommen Spanplatten rein, Spannteppiche drauf. Auf dem Dachboden stehen Flaschen vom Vor-Vorbewohner, wir bringen sie zur Glassammelstelle, die Dorfbewohner schauen uns zu dabei: »Noch nicht mal angekommen und schon solche Feiern?« Wir grüßen freundlich zurück und machen uns wieder an die Arbeit. Der Schreiner vom Dorf freut sich, als wir Bretter bestellen, Holztäfelung für viereinhalb Zimmer inklusive Zimmerdecken. Wenig Holz, weil die Räume klein sind. Aber viel Arbeit für einen Schreiner, denkt der Schreiner, doch der Schreiner freut sich nicht mehr, als wir das Holz ins Auto, das einem Freund gehört und das wir nur geliehen haben, stapeln, als er bar ausbezahlt wird, weil wir die Arbeit selbst machen. Wir hämmern tagelang im Erdgeschoss herum und taufen den Raum Wohnzimmer, wir hämmern nächtelang in den oberen Kammern, bis sie Schlafzimmer heißen dürfen, bis jeder von uns seine Luftmatratze auf dem eigenen Spannteppich im eigenen Zimmer aufblasen kann. Betten kommen noch, Geduld, erst gibt es noch Löcher im Flur zu stopfen, gemeine Fallen und Direktzugänge zum Keller zu verschließen – gewisse von uns sind noch klein, fallen durch Ritzen, über die andere spielend hinweggehen.
    Linoleumrollen werden aus dem Auto geladen, werden in die Flure, in die Küche, ins Badezimmer gelegt, ausgerollt, festgeklebt. Vor dem Haus stapeln sich kaputte Stühle, morsche Dielenbretter, ein halber Tisch und ein schimmelnder Kühlschrank. Für die Treppe holen wir doch den Schreiner, er ist freundlich, er schaut diskret, schaut sich um und lehnt den Kaffee ab, den wir ihm anbieten. In seinen Pausen fährt er ins Dorf oder bleibt und tauscht stumme Blicke aus mit dem Bauer, der hier nebenan täglich die gemähte Wiese mäht, der mit dem Traktor herumfährt und schaut, wie alles gedeiht, sein Land, unser Leben.
    Also setzen wir Grenzen.
    Kleine Birken-, Haselnuss- und andere Zweige verlassen das Auto, das Budget ist längst überschritten, der Freund mit dem Auto hat auch schon schlechte Laune. Birken-, Haselnuss- und andere Zweige graben wir ein, die Grenze wird Hecke getauft und täglich begossen. Schon drei Tage nach der Taufe steht einer von der Gemeinde da, der Gemeindemann nickt höflich, nimmt das Angebot zum Kaffee an, entschuldigt sich, sagt, es habe Beschwerden gegeben. Haselsträucher, die wuchern, Birken wachsen hoch, Hecken hat man keine hier, aber Gesetze, die Hecken betreffen. Da brauche es eben einen gewissen Abstand. Die Zweige stünden zu grenznah, er könne das gerne mit uns abschreiten.
    Also graben wir wieder im vom Bewässern noch feuchten Boden, also ziehen wir Haselnuss-, Birken- und andere Zweige wieder aus der Erde, machen zwei Schritte zurück und pflanzen sie wieder ein. Unser Reich ist nun verkleinert, aber ist unser Reich, ist immer noch groß genug, um Land zu spielen.

E INS
    Wir spielen Land. Stehen vor dem fertigen Haus, neben dem eine Scheune steht. Heu muss da hinein, wenn da Tiere hineinsollen. Wiesen haben wir genügend und die Gräser konnten wachsen in den letzten Jahren. Wir lesen Bücher über die Heuernte, kaufen im Dorf eine Sense, einen Schleifstein, drei Rechen, zwei Heugabeln, ein Heunetz und eine Sennenkutte, weiß mit Kapuze, für den Heuträger. Wir tragen die Sachen zu Fuß nach Hause, der Freund mit dem Auto ist zurück in die Stadt gefahren, wir brauchen das Auto nicht mehr, brauchen die Stadt nicht mehr, brauchen keine Freunde, wir leben jetzt auf dem Land, stehen jetzt im hohen Gras, schwingen die Sense. Grashalm für Grashalm lässt sein Leben, bleibt nicht auf dem Schlachtfeld liegen, sondern wird weggerecht, er soll sich nicht an seine Kameraden klammern, soll frei und allein und gut verteilt zu liegen kommen, damit die Sonne ihn austrocknen kann, drei Tage lang soll schönes Wetter sein. Wir stehen schwitzend und niesend auf unseren Wiesen, der Sensenschwinger unterbricht das Sensenschwingen nur, wenn er die Sense nachschleifen muss. Der Schleifstein liegt im Plastikköcher, der Köcher ist wassergefüllt, der Köcher hängt am Gürtel des Sensenschleifers. Jetzt greift er nach dem Schleifstein, jetzt spielt er Musik auf dem Sensenmesser, tadang-tadang-tadang, das Geläut lässt uns tanzen, lockt die Dorfleute an, sie bleiben stehen auf der Straße, schauen uns zu, freuen sich, dass
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