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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Schwester Lieke«, begann sie nach einer kurzen Pause, die kalkuliert eine Zäsur zu ihren bisherigen Worten markierte und Stephan in die Pflicht nahm.
    »Lieke ist im September letzten Jahres, genauer gesagt am späten Abend des 12.9., gegen 23.20 Uhr, mit ihrem Auto tödlich verunglückt. Sie war auf dem Weg von Essen nach Dorsten und ist in der Höhe Gelsenkirchen-Scholven an der Stelle mit ihrem Auto von der Fahrbahn abgekommen, wo die B 224 mit einer Verschwenkung auf die A 52 übergeht. Zugelassen sind dort 80 km/h, aber nach Feststellung eines Gutachters musste sie eine Geschwindigkeit von rund 130 km/h gehabt haben.«
    Anne van Eyck hielt inne.
    »Kennen Sie die Unfallstelle?«, fragte sie.
    Stephan verneinte.
    »Sie müssen sich vorstellen, dass die Bundesstraße, auf der sie bis zur Unfallstelle gefahren ist, bereits wie eine Autobahn ausgebaut ist. Dann macht die Fahrbahn Richtung Norden zunächst einen Schwenk nach rechts, steigt zugleich an und beschreibt anschließend sofort eine enge Kurve nach links, um dann im Gefälle in die eigentliche Autobahn überzugehen, die im Grunde erst hier beginnt. Der schnelle Kurven- und Neigungswechsel ist ohne Zweifel nicht ungefährlich, aber meine Schwester kannte die Straße seit vielen Jahren in- und auswendig. Sie arbeitete als Vorstandssekretärin bei der ThyssenKrupp-Hauptverwaltung in Essen und lebte in einer Einliegerwohnung auf dem Hof, den mein Mann und ich in Dorsten bewohnen und zugleich auch als Sitz unserer gemeinsamen Unternehmensberatung nutzen.«
    »Ihre Schwester lebte allein?«, erkundigte sich Stephan.
    »Sie hat nie geheiratet«, antwortete Frau van Eyck. »In frühen Jahren hatte sie über einige Jahre einen Freund, aber die beiden haben sich wieder getrennt. Das ist fast zehn Jahre her. Seither war sie allein. Ich denke, ihr Beruf ließ ihr letztlich keine Zeit, sich privaten Dingen zu widmen. Sie war im Job sehr engagiert, hatte sich bis zur Chefsekretärin hochgearbeitet, galt als extrem zuverlässig und belastbar, sehr loyal und geradezu pedantisch ordnungsliebend. Sie hatte einen ausgeprägten Sinn für Sauberkeit. Lieke polierte ständig ihre Wohnung, fuhr das Auto jeden Freitag durch die Waschstraße und ließ es bei dieser Gelegenheit auch von innen gründlich reinigen. Am Auto machte sie nichts selbst. Ich glaube, sie hätte gar nicht gewusst, wie sie vorgehen sollte. Das Auto war nicht ihr Ding, es war nur Mittel zum Zweck. Sie hatte nicht einmal einfaches Werkzeug im Auto.« Anne van Eyck lächelte. »Lieke war ein spätes Kind unserer Eltern und wurde eigentlich immer wie ein Küken behandelt, erst von meinen Eltern, dann – nach deren frühem Tod – von mir. Vielleicht war sie in dieser Hinsicht so etwas wie eine überbehütete Prinzessin, aber davon abgesehen war sie eine wunderbare und auch hübsche Frau.«
    Anne van Eyck zog ein Passfoto ihrer Schwester aus ihrer Brieftasche und reichte es Stephan. Er betrachtete das Bild nachdenklich. Lieke hatte ein ebenes sanftes Gesicht, blonde nach hinten gekämmte schulterlange Haare und ein natürliches gewinnendes Lächeln. Er gab ihr wortlos das Bild zurück.
    »Lieke besaß eine hohe soziale Kompetenz, beschrieb Anne van Eyck ihre Schwester weiter. »Ihr Tod hat auch bei ThyssenKrupp eine nicht zu schließende Lücke hinterlassen. Der Nachruf des Konzerns auf eine unersetzliche Mitarbeiterin war echt.«
    »Wie alt wurde Ihre Schwester?«
    »37 – sie war vierzehn Jahre jünger als ich«, antwortete Anne van Eyck.
    »Sie bezweifeln, dass es ein Unfall war«, vermutete Stephan.
    »Lieke ist nie zu schnell gefahren. Jedenfalls hat sie die zulässige Geschwindigkeit nie in diesem Maße überschritten«, beteuerte ihre Schwester. »Sie fuhr in der gleichen Weise Auto, wie sie arbeitete: zuverlässig, diszipliniert und rücksichtsvoll. Als sie starb, hatte sie seit Jahren nicht einen einzigen Punkt in Flensburg. All dies ist nachweisbar. – Und da ist noch ein Umstand«, fuhr sie fort und schwieg, bis Stephan, der sich die wichtigsten Informationen aufschrieb, von seinem Notizblatt aufsah.
    »Man stellte eine Blutalkoholkonzentration von 1,2 Promille fest, und dies ist überhaupt nicht erklärlich. Denn Lieke trank nicht nur keinen Alkohol, wenn sie Auto fuhr. Sie mied generell alkoholische Getränke. Allenfalls trank sie auf Feiern oder zu sonstigen Anlässen mal ein Glas Sekt. – Nur ein einziges Glas!«, wiederholte sie nachdrücklich. »Mehr stand nie in Rede.«
    »Natürlich kann
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