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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hineinragte, als wollte es in die Anpflanzungen vorstoßen. Der Garten bot ein Schauspiel wild durcheinander gewürfelter Gewächse, das Buschwerk im Hintergrund eine löcherige Kulisse, hinter der höhere Sträucher wie eine abschließende Wand aufragten, die das Areal von einem dichten Laubwald abgrenzte, dessen hellgrünes Blätterdach sanft im leichten Wind rauschte. Inmitten des Gartens lag eine gepflegte Rasenfläche, auf der – beschattet von einem großen Sonnenschirm – ein rustikaler dunkel gebeizter Holztisch mit zwei ebensolchen Holzbänken stand. Der Tisch war mit Erdbeerkuchen, Sahne, Kaffee und Gebäck gedeckt, und gerade, als Marie und Stephan die gesamte Anlage bestaunt hatten und an dem Tisch Platz nehmen wollten, erschien endlich Hermann van Eyck, Annes Ehemann und wie sie Unternehmensberater, eine sportliche und drahtige Erscheinung, Ende 50, graues meliertes volles Haar und Stoppelbart. Er begrüßte die Gäste so herzlich, wie es seine Frau getan hatte, und wählte seine Willkommensworte mit Bedacht, während er sich mit ausgestreckter Hand langsam drehte und stolz den Garten präsentierte, den er unbescheiden als ein Paradies vorstellte, in dem er in der warmen Jahreszeit jede freie Minute mit seiner Frau verbrachte.
    Sie kamen leicht ins Gespräch und mussten nicht nach Themen ringen. Es war, als hätte sich die Unbeschwertheit dieses schönen Tages auf sie übertragen. Marie erzählte von ihrer Tätigkeit als Lehrerin an einem Dortmunder Gymnasium, die sie nicht ausfülle, und ihre Freude, gemeinsam mit Stephan die Hintergründe seiner manchmal verzwickten Fälle zu erforschen, die häufig zu unvermuteten Lösungen führten. Stephan schilderte seine Hassliebe zu seinem Beruf, die ihn stets zu den vielen typischen Vertretern seiner Zunft auf Distanz hielt, die mit streng gescheitelten Haaren, feinem Zwirn und dickbauchigen Lederkoffern in die Gerichte liefen, mit gewichtiger Gebärde plädierten und dabei in erster Linie ihre Geltungssucht und ihr Gewinnstreben bedienten.
    Die van Eycks betrieben seit knapp 15 Jahren ihre Unternehmensberatung, die erst in der Stadt Dorsten ansässig war, bevor sie vor etwa drei Jahren auf den Hof umsiedelten, der schon seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr der Landwirtschaft diente und zuletzt von einem Künstler bewohnt worden war, dessen Tod den van Eycks Gelegenheit bot, das Gebäude samt großem Grundstück anzumieten und fernab der geschäftigen Betriebsamkeit der Städte in einer Atmosphäre zu leben und zu arbeiten, die andere nur im Urlaub genießen konnten.
    Anne van Eyck war gebürtige Holländerin, was man ihrem unauffälligem Akzent anmerkte. Sie erzählte von ihrer Heimat Amsterdam, wo sie noch heute gemeinsam mit ihrem Mann eine Stadtwohnung an einer der Grachten besaß. Es war ein Kleinod mit hohen stuckverzierten Decken, großen Fenstern, die zum Wasser hinausgingen, und einem repräsentativen Wohnzimmer im Erdgeschoss, das als besonderen Schatz einen Kachelofen mit Seefahrermotiven barg. Die Amsterdamer Wohnung schien das städtische Pendant zu dem Hof auf dem Land zu sein: Eine Perle hier wie dort, eine Wirklichkeit gewordene Märchenwelt, gespeist von allen Attributen, die man sich gemeinhin für ein schönes Leben wünscht.
    Hermann van Eyck wiegelte Stephans Bewunderung bescheiden ab. Alles sei nur Produkt harter Arbeit, die oft genug ihre Schatten werfe und immer wieder dazu zwinge, mit strenger Disziplin die unternehmerischen Ziele zu verfolgen und sich unablässig um die Kunden zu kümmern. Zu ihnen zählte eine stattliche Anzahl mittlerer und größerer Unternehmen, die die van Eycks geschickt und erfolgreich in allen betrieblichen Belangen und Entwicklungen berieten. Es stand außer Zweifel, dass die van Eycks es geschafft hatten, doch der Erfolg musste immer wieder neu erarbeitet werden.
    Erst jetzt, als Anne van Eyck die Kaffeetafel abdeckte, mündete die leichte Plauderei in ein vertiefendes Gespräch und fand schließlich zu dem Thema, das Marie und Stephan hergeführt hatte: Lieke.
    »Wir kommen über ihren Tod einfach nicht hinweg«, seufzte Anne van Eyck.
    »Meine Frau hat Ihnen erklärt, worum es geht«, fasste ihr Mann zusammen, »wir wollen Klarheit gewinnen und die Chance erhalten, mit Liekes Tod abzuschließen. Ich möchte nicht verhehlen, dass meine Frau und ich durchaus unterschiedlicher Auffassung darüber sind, ob Liekes Tod ein Unfall oder ein Verbrechen war. Sie wissen, dass Anne vermutet, dass ihre tödliche
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