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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut
Autoren: David Lee Parks
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der Menschen böse sein, wie konnte er über sie lachen, und wie konnte er sie manchmal verachten, wenn er selbst erst durch das Wirken der Menschen bereichert, ja gerechtfertigt wurde? Das Chaos auf der Erde machte ihn stark und verlieh ihm die Mannigfaltigkeit, in der er sich gegenüber seinen Geschöpfen zeigte.
        Mit einer entschiedenen Bewegung drückte Gott auf die Fernbedienung und schaltete alle Bildschirme aus. Er war nicht länger darauf angewiesen, die Welt auf diese Weise zu erfahren, er hatte begriffen, dass er in einen elektronischen Spiegel schaute. Gott legte die Fernbedienung zur Seite und erhob sich aus seinem Sessel. Unruhig lief er hin und her und wurde doch das schwermütige Gefühl nicht los, in der Schuld derer zu stehen, die sich täglich in seine Schuld begaben. Wie konnte er seine Dankbarkeit den Menschen gegenüber ausdrücken, ohne sich zum Idioten zu machen? Jeder hätte ihn für verrückt gehalten, wenn er hinaus auf die Straße gegangen wäre, die Hände der Menschen ergriffen und herzlich geschüttelt hätte. Nein, die Polizei hätte diesem Anliegen wohl sehr schnell ein Ende gemacht und womöglich die amtliche Einweisung seiner Person in eine Heilanstalt erwirkt.
        Aber der Gedanke des Berührens, des körperlichen Kontaktes mit den Menschen gefiel Gott. Er wollte alles umarmen, was ihm lieb und teuer war, er wollte unmittelbar spüren, worauf sich seine Zuneigung begründete. Und so kam es, dass an diesem Nachmittag das Schicksal der Menschen besiegelt wurde.
        Gott schloss die Augen, senkte den Kopf und breitete seine Arme weit aus. Es war ganz leicht für ihn, mit einem leisen Aufstöhnen nur entfesselte er Urgewalten, die von der Vorstellungskraft der Menschen nicht erfassbar waren. Sein Geist bemächtigte sich der Erde und des Universums, er durchdrang alle Materie, alles Leben mit jener Kraft, deren er sich bewusst geworden war. Dann rief er alle seine Kinder zu sich, zog sie immer enger an sich, zerbrach ihre schwachen Hüllen und bildete selbst das Zentrum, um das er ihre Seelen verdichtete, bis er die kritische Masse erreichte. Mit einer gigantischen Explosion schleuderte er seine Schöpfungskraft mit unvorstellbarer Geschwindigkeit in Form von Materie und Bewusstsein in alle Richtungen in den Raum hinaus. Dieser Urknall war Ende und Anfang, Enttäuschung und Hoffnung zugleich, nicht nur für die Menschen, sondern auch für deren Schöpfer, der einmal mehr das von sich stoßen musste, was er über alles liebte.
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