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2011 - komplett

2011 - komplett

Titel: 2011 - komplett
Autoren: 3 Romane
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PROLOG
    MacPherson und Tochter, Buchhändler
    Covent Garden, London
    23. Dezember 1890, drei Uhr nachmittags
    Engelnovizin Periwinkle lächelte erleichtert, als sie die zwei anderen Novizinnen auf einem der staubigen Bücherregale in der Buchhandlung von „MacPherson und Tochter“ in Covent Garden entdeckte. Fern und Rose hatten ihre ganze Aufmerksamkeit auf drei junge Frauen gerichtet, die im hinteren Teil des gemütlichen Geschäfts an einem Tisch saßen und Tee tranken. Periwinkle gesellte sich zu den beiden auf das Regal, begrüßte sie mit einer Umarmung und heftete ihrerseits den Blick auf die Runde der jungen Damen.
    „Sie treffen sich hier also jeden Monat?“, fragte sie. Die beiden anderen wachten schon eine ganze Weile über ihre sterblichen Schützlinge, wie Periwinkle erfahren hatte. Sie selbst war Claire Halliday erst vor etwas über drei Wochen zugewiesen worden und fing an, ihre Aufgabe als recht erdrückend zu empfinden.
    „Fast auf die Minute genau. Seit nun fast zwei Jahren“, erwiderte die mollige, freundliche Rose mit einem Nicken.
    „Meine Fiona hat sie zusammengebracht, weißt du. Alle drei lieben Bücher“, fügte die hochgewachsene, energische Fern hinzu. „Jetzt sind sie die besten Freundinnen und gehen durch dick und dünn.“
    „Nun, Claire Halliday kann gute Freunde wirklich gebrauchen.“ Periwinkle seufzte.
    „Ihr solltet mal sehen, was sie zu Hause alles erdulden muss.“
    „Ah, die lieben Verwandten.“ Rose nickte wieder mitfühlend.
    „Wir haben von ihnen gehört.“ Ferns ungeduldiges Schulterzucken ließ ihr Kleid rascheln und verursachte einen kleinen Funkenregen aus grün und gold schimmerndem Glitzerstaub.
    „Sind sie so schlimm, wie Claire sie beschreibt?“, erkundigte sich Rose.
    „Schlimmer.“ Periwinkle seufzte wieder. „Ich weiß nicht, wie das arme Ding die Weihnachtszeit übersteht. Wenn unsere Schützlinge nur näher beieinander leben würden und sich öfter treffen könnten ...“
    Nur leider taten sie das nicht. Außerhalb ihres monatlichen literarischen Gesprächskreises trafen sie nie zusammen. Und Claire Halliday kam auch sonst kaum mit anderen Menschen außer ihrer Familie in Kontakt. Eine Tatsache, die Periwinkles Aufgabe, Claire innerhalb der folgenden Woche dazu zu verhelfen, die wahre Liebe zu finden, regelrecht unmöglich zu machen schien. Wenn etwas, das die himmlischen Mächte anordneten, überhaupt unmöglich genannt werden konnte.
    „Ich wünschte, die Damen würden sich eine andere Lektüre aussuchen.“ Periwinkle zog die zarte Nase kraus. „Dickens. Immer muss es Dickens sein zur Weihnachtszeit.“
    „Ich bin schon ganz froh, dass sie überhaupt lesen können.“ Fern verschränkte die Arme. „Zu meiner Zeit standen Bücher nur den Reichsten und Mönchen zur Verfügung.“
    „Kettenrasseln, Geistererscheinungen um Mitternacht und rücksichtsloses Hin- und Herzerren der Leute in die Vergangenheit und Zukunft wie bei Dickens ...“, Rose verdrehte die Augen, „... als ob solche Methoden erlaubt wären.“
    Die Arbeit der Engel, das wussten alle drei sehr gut, beschränkte sich meist auf zarte Anstöße, leises Zuflüstern und bedeutungsvolle Träume – also nur ein sanfter Einfluss, dazu gedacht, die Menschen auf den richtigen Weg zu leiten. Zu dramatischen Auftritten von der Art „Siehe, ich bring euch gute neue Mär“ waren Novizen nicht befugt. Allerdings gestaltete sich so die Erfüllung ihrer Aufträge als umso mühevoller, wie Periwinkles derzeitiges Dilemma bewies.
    „Wird man von mir erwarten, ihr zu helfen, die wahre Liebe zu finden, ohne wenigstens einen kleinen Blick in die Zukunft zu tun?“, meinte Periwinkle mit einem Anflug von Verzweiflung.
    „Du kennst ihre einzige große Liebe nicht?“ Rose klang entsetzt.
    „Nicht wirklich. Angeblich weiß sie schon von seiner Existenz, aber so selten, wie Claire mit dem männlichen Geschlecht in Kontakt kommt, könnte sie genauso gut Nonne sein. In ihren Gedanken und Träumen ist kein einziges Mal der Name eines Mannes erschienen.“ Periwinkle ließ die Schultern hängen, betrachtete ihren braunhaarigen Schützling und dachte schaudernd an die drei trostlosen Wochen, während der sie Claire durch ihr ereignisloses Leben begleitet hatte.
    Claire trug ein schlichtes, elegantes marineblaues Wollkostüm, das sowohl ihren guten Geschmack wie auch ihre auffallenden weiblichen Rundungen aufs Beste zur Geltung brachte. Sie war reizend anzuschauen, ein liebenswerter Mensch und
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