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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut
Autoren: David Lee Parks
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nach Harmonie mit jener Welt, die ihm als Künstler in ihrem unablässigen Bestreben nach Veränderung unbegreifbar blieb.
        In diesem Moment durchbrachen die Eindringlinge die Tür. Die Wände der Kabine zersplitterten, der Geier flog erschrocken davon, und das Volk strömte herbei, um Arthur wieder in seine Mitte zu holen. Das aufgeregte Rascheln von Kleidungsstücken und das dumpfe Scharren von Schuhen erfüllte die Luft. Begleitet waren diese Geräusche von einem bittersüßen Geruch, der sich wohl aus einer Mischung aus Parfüm und Schweiß zusammensetzte. Die Besucher der Galerie führten sich auf wie Insekten, die über einen Kadaver herfielen. Mit ihren schwarzen Leibern überrannten sie den Künstler, mit ihren plumpen Händen befühlten sie, was sie niemals begreifen, und mit ihren geblendeten Augen betrachteten sie, was sie niemals erkennen konnten.
        Die Nähe seiner Bewunderer drohte Arthur zu ersticken. Er zappelte wie eine Fliege im Netz, aber die Gegenwart der Insekten nahm ihm alle Kraft. Er konnte sich nicht gegen die Fühler und Beine wehren, mit denen sie seinen Körper betasteten, dann in ihn eindrangen und dort die Gedanken schauen wollten, vor denen ihnen - das mussten sie doch wissen! - graute. Arthur wusste, dass er verloren war, wenn es den Besuchern der Galerie gelänge, ihn für immer in einen Kokon einzuschließen.
        Eine gewaltige Erschütterung warf die Menge in der Kabine durcheinander. Teile der Toiletteneinrichtung, Felsgestein und Glasscherben wurden durch den Raum geschleudert, und ein glühend heißer Lavastrom erupierte aus dem Spalt im Boden. Der Abgrund war wie der Rachen eines Dämonen, der seinen fauligen Atem in die Welt der Sterblichen stieß. Für Arthur galt es jetzt zu handeln, wenn er sich den Kritikern verweigern wollte. Schnell setzte er sich das Messer an sein Handgelenk, schloss die Augen und sprang in die Tiefe.
     
    Der Geier kreiste über dem Szenario und ärgerte sich darüber, dass es ihm nicht gelungen war, wenigstens einen kleinen Fetzen aus Arthurs Körper zu hacken, ein Stück von der Leber vielleicht, ein Auge oder einen Teil eines Fingers. Enttäuscht wandte er sich ab und stieg mit wenigen Schlägen seiner kräftigen Schwingen in den nächtlichen Himmel hinauf. Am Horizont konnte man bereits die Sonne aufgehen sehen, die mit ihren ersten warmen Strahlen die Finsternis vertrieb. Der Geier verlangsamte seinen Flügelschlag und bestaunte dieses Naturschauspiel. Beim Anblick des goldenen Feuerballs legte sich innere Ruhe und Zufriedenheit über sein Gemüt. Er wusste, dass es unwichtig geworden war, dass er den Körper des Künstlers nicht hatte ergattern können, denn er trug dessen Seele mit hinauf in den Himmel, eine Seele, die jetzt frei wie der Wind war und die hier oben den Frieden mit sich selbst geschlossen hatte.
        ENDE DER WICHTIGEN MITTEILUNG
        Der Schriftzug flackerte und verschwand von der Bildfläche. Auf dem Fernsehschirm erschien eine Meute wild gewordener Zeichentrickkatzen, die sich einen Spaß daraus machten, einen völlig verstörten Wachhund zu terrorisieren.
        Ende der wichtigen Mitteilung? Gott schreckte aus dem Halbschlaf auf und überlegte, worum es zuletzt gegangen war. Aber als er seinen Irrtum erkannte, da war es schon längst zu spät.
     

52
     
    Die letzte Klappe war schon lange gefallen und der letzte Scheinwerfer erloschen, als Virgil noch immer darauf wartete, aus dem Prototypen befreit zu werden. Die Filmcrew hielt es nicht für erforderlich, ihm aus der stählernen Hülle zu helfen oder sich wenigstens nach seinem Befinden zu erkundigen. Virgil befürchtete schon, er müsste für immer im Wrack eingeschlossen bleiben. Konnte es gar sein, dass niemand um seine Anwesenheit in der Maschine wusste? Glaubten sie etwa, dieser lächerliche Prototyp hätte es alleine geschafft, mit Dr. Freak fertig zu werden? Nein, ohne seine tatkräftige Hilfe wäre die Angelegenheit wohl nicht so gut für die Menschheit ausgegangen, auch wenn Virgil zugeben musste, dass ihm dieser verrückte Wissenschaftler ganz schön eingeheizt hatte.
        Virgil blieb nichts anderes übrig, als sich auf einen längeren Aufenthalt in der Maschine einzurichten, ob ihm das gefiel oder nicht. Immerhin hatte er ausreichend Zeit, sich im Studio umzusehen, und erst jetzt bemerkte er, dass er tatsächlich beim Fernsehen gelandet war! Diese Feststellung war sehr aufregend, denn plötzlich hatte er die Möglichkeit, sein Anliegen
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