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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut
Autoren: David Lee Parks
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Funken - für ihn hatte sich der Falter in eine winzige Sternschnuppe verwandelt, die erst im Augenblick des Todes in wahrer Schönheit erblühte und damit vollkommen war.
        Auch ein schneller Blick in die Programmzeitschrift brachte Gott keine weiteren Erkenntnisse über die Natur dieser Sendung. Die Inszenierung wirkte übertrieben theatralisch, und die Handlung schreckte vor keinem Klischee zurück.
        Arthur weinte. Wie nichts sehnte er sich danach, selbst ein solches Stadium der Vollkommenheit zu erreichen! Erst in der Vergänglichkeit offenbarte sich die Schönheit der Schöpfung, es war die Schönheit von Gedanken und Gefühlen, die er als Künstler mehr als jeder andere empfunden hatte und in seinen Werken begreifbar machen wollte. Leider war nie jemand da gewesen, der diese wahre Qualität seiner Kunst erkannt hätte, zu sehr waren Kritiker und Publikum damit beschäftigt, den Künstler bei Laune zu halten. Aber indem sie ihn unsterblich machten, zerstörten sie seinen Mythos und beraubten ihn des Zaubers, der seine Kunst umgab.
        Du meine Güte, jetzt fing der Kerl auch noch zu weinen an! Gott schlug die Hände vors Gesicht, schüttelte den Kopf und ärgerte sich doch darüber, dass er für solche Sentimentalitäten empfänglich war.
        Von der Decke der Toilette senkte sich ein mächtiger Schatten herab. Arthur erkannte einen großen schwarzen Geier, der sich auf dem Rande des Waschbeckens niederließ. Der gefiederte Freund hatte feuerrote Augen, einen kräftigen Schnabel und scharfe Krallen, die er in sein Opfer bohren konnte. Arthur wusste, dass es in dieser Gegend keine Geier gab, und so schloss er die Augen, um den Spuk zu vertreiben.
        Sieh einer an, ein Geier! Gott musste zugeben, dass sich die Fernsehleute einiges einfallen ließen. Sollte das etwa doch noch die gute Fee sein, die sich zum Eingreifen entschlossen hatte? Hilfe war hier dringend geboten, keine Frage. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, dann sah Gott schwarz für den armen Burschen, der sich da auf dem Bildschirm quälte.
        Als Arthur wieder hinüber zum Waschbecken sah, war der Geier immer noch da. Das schien ein hartnäckiger Fall zu sein. Arthur wedelte mit seinen schwachen Armen in der Luft herum, um das Tier vielleicht damit zu beeindrucken. »Husch, husch, fort mit dir!«
        Der Geier plusterte aber nur das Gefieder auf, verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere und ignorierte im Übrigen die Aufforderungen, die Toilette zu verlassen.
        »Husch, husch, jetzt aber endgültig fort mit dir!« Zur Bekräftigung seines Ersuchens warf Arthur einen Schuh in die Richtung des Tieres. »Hier, Vogel, da hast du was zum Fressen!«
        Das gefiel dem Geier nicht. Er duckte sich unter dem Schuh hinweg und stieß einen Schrei aus. Mit seinen feurigen Augen blickte er Arthur an und hackte mit dem Schnabel nach dem Künstler, der daraufhin zu dem Schluss kam, dass ihn das Tier vielleicht doch nicht so sehr störte, solange es dort sitzen blieb, wo es eben saß.
        Die Erde bebte, und ein ohrenbetäubendes Rauschen erfüllte die Luft. Vor Arthur tat sich ein Spalt im Boden auf, und er befand sich am Rande eines unendlich tiefen Abgrundes, aus dem ihm ein Meer von Flammen entgegenschlug. Beim Blick in die Tiefe wurde es Arthur noch schwindliger im Kopf. Alles drehte sich, nichts hatte mehr Bestand. Seine Welt war in völliger Auflösung begriffen, während draußen die Besucher der Galerie mit den Fäusten gegen die verschlossene Toilettentüre hämmerten. Niemals, sie würden ihn nicht in ihre Gewalt bekommen! Wozu sollte er sich noch länger öffentlich prostituieren, wenn seine künstlerischen Belange ignoriert, seine kreativen Anliegen nicht zur Kenntnis genommen wurden? Er würde es zu verhindern wissen, dass ihn die Kritiker weiterhin ins Rampenlicht zerrten, ihm die Kleider vom Leib rissen, um sein Abbild für alle Ewigkeit in Stein zu meißeln. Mit zitternden Fingern zog Arthur das rostige Küchenmesser aus seiner Hosentasche, das er für solche Notfälle stets mit sich führte.
        Der Spalt im Fußboden weitete sich zu einem gefräßigen Schlund, und ein Inferno aus Feuer und Rauch drohte Arthur zu verschlingen. Aber anstatt zurückzuweichen wagte er sich noch näher an den Abgrund heran. Es war mehr als die Lust am Grauen, die Arthur alle Vorsicht vergessen ließ. Es war die unstillbare Sehnsucht nach dem Einssein mit den Elementen, die in ihm tobten. Es war der Wunsch
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