Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachen der Finsternis

Titel: Drachen der Finsternis
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
geworfen. Ihre Augen waren geschlossen wie im Schlaf. Und obgleich da seltsame Unregelmäßigkeiten in der Bronze waren, Unregelmäßigkeiten wie Wunden, wirkte ihr Gesicht wie das Gesicht von jemandem, der einen wunderbaren Traum träumt.
    Christopher strich behutsam über die bronzene Stirn des Mädchens. Was war geschehen? Was hatte er sich eingebildet? Was war wirklich?
    »Mein Herz ist gierig nach Träumen«, murmelte er.
    Seine Mutter drehte sich nach ihnen um. »Was hast du gesagt?«
    »Nichts«, antwortete Christopher.
    Doch er sah, wie Arne ihm kaum merklich zunickte.

Nachwort
    – for political and geographical correctness –
    Das Nepal, das Christopher erlebt hat, gibt es nicht.
    Man hat ihm später erklärt, dass die Orte, die er durchquert hat, über das Land verstreut liegen – manche weit voneinander entfernt, manche in verkehrten Richtungen: lose zusammengefügte Fotos eines Bildbandes auf den Knien eines stillen, in sich gekehrten Jungen.
    Er hat es nie ganz geglaubt.
    Man hat ihm auch erklärt, dass die Maoisten nie einen Anführer besaßen, der sich ausschließlich mit seinem Anfangsbuchstaben ansprechen ließ. Und dass sie nicht Geige spielen, wenn sie Reden halten, nicht einmal die Internationale. Man hat ihm erklärt, dass das Militär keinesfalls vorhatte, den König abzusetzen, dass Wacholderholz ausgesprochen schlecht brennt und dass Kartan überhaupt kein nepalesischer Name ist.
    Wie gesagt, ihm blieben bezüglich all dieser Fakten immer seine Zweifel.
    Er ist ein Zweifler geblieben, und das ist gut so.
    Fest steht nur, dass an einem Tag im April lange nach Christophers Heimkehr ein König dem Druck seines Volkes nachgab und es endlich regieren ließ.
    Erst im April? Wohin sind die Zeiten geraten? Wohin die Wahrheit?
    Irgendwann wird Christopher wohl an den Ort seiner Abenteuer fahren und selbst nachsehen, wie es mit der Wahrheit aussieht und mit der Geografie und der Politik. Später. Wenn er erwachsen ist.
    Aber bis dahin bleibt ihm noch eine Weile.

Danksagung
    Ich danke der nepalesischen Familie, die uns mitten in der Nacht, mitten im Nichts, mitten im Gebirge aufgenommen hat, als wir uns so fürchterlich verlaufen hatten und mit kiloweise Operationsbesteck auf dem verkehrten Weg ins winzige Krankenhaus Amppipal waren.
    Ich danke Ole H., der mich gezwungen hat, eine Menge scheußlicher Gummibonbons zu essen, als ich auf einer steilen Steintreppe zu heulen anfing, weil ich unterzuckert war und die Treppe endlos. Falls er dies liest, verzeiht er mir hoffentlich, dass ich die Gurkhas nicht im Buch untergebracht habe. Er wollte sie schon im letzten Buch haben. Aber sie passten einfach nicht mehr rein.
    Ich danke auch den nepalesischen Krankenschwestern und Ärzten, deren Sprache ich zu schlecht spreche, um ihnen in dieser Sprache zu danken.
    Und den Maos, die uns am Fuße des Poon Hill kurz nach Sonnenaufgang haben gehen lassen, obwohl wir weniger Geld bezahlt haben als andere anderen, weil wir keines hatten.
    Und all jenen, die weiter dort oben irgendwo sitzen, im Krankenhaus in Amppipal und anderswo, und die weiter den Übungsschüssen im grünen Dickicht lauschen.
    Denn irgendjemand wird immer schießen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher