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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich
Autoren: Marcia Muller
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erinnert an das letzte Jahr. Gleich
nachdem Irenes Scheidungsunterlagen aus dem Süden kamen. Die Unfälle, die er
dort gehabt hatte, fielen mir wieder ein. Andere Kleinigkeiten...«
    »Also haben Sie den Anruf
entgegengenommen, und dann haben Sie Frank auf Irene angesprochen.«
    »Es war ein guter Zeitpunkt für eine
Aussprache. Die Kinder waren weg. Auch das Baby. Die Freundin hatte sie
genommen, damit wir einmal Gelegenheit für ein romantisches Abendessen zu zweit
hätten.« Ihr Mund zuckte. »Ich hab’ gedacht, wenn ich ihn am Wegfahren hindern
könnte...« Tränen standen in ihren Augen; sie drückte die Lider zusammen, und
die Tropfen fielen herab.
    Ich schaute den Sanitäter an. Er
beobachtete uns, aber er schien nicht eingreifen zu wollen.
    Nach einer Weile sagte Jane: »Frank hat
mir erzählt... von dem Kind. Er hat gesagt, daß ihm an Irene nichts mehr liege.
Aber er wollte das Baby. Wollte es heimbringen, ich sollte es... aufziehen. Ich
war schon lange wütend... ich war so allein. Dann konnte ich nicht mehr
anders.«
    Ihre Augen waren immer noch
geschlossen. Sie atmete tief durch und fuhr fort: »Ich wollte gar nicht so
viele Kinder. Ich liebe sie, aber jedesmal habe ich gehofft... Aber Frank
brauchte das... er mußte sich wohl etwas beweisen. Meine Bedürfnisse waren ihm
gleichgültig. Ich wollte etwas für mich selbst. Hatte es so satt, immer nur zu
geben und nichts zu bekommen. Nachdem Frank mit ihr zusammengewesen war, wollte
er mich nicht mehr. Hat mich nicht mehr angerührt. Da hatte ich nicht einmal
mehr das. Und dann wollte er, daß ich mich auch noch um seinen... Bastard
kümmerte.«
    »Sie haben sich also gestritten. Und
dann haben Sie ihn erschossen.«
    Sie öffnete die Augen — wahrscheinlich,
dachte ich, wollte sie die Szene nicht nochmals vor geschlossenen Lidern
ablaufen sehen. »Die verdammte Pistole. War im Schrank, nicht einmal
zugesperrt. Ich hab’ ihm immer gesagt, ›Schließ sie weg, wegen der Kinder‹,
aber er meinte, daß man sie eben besser erziehen müßte.«
    Sie begann zu weinen. Ich drückte ihre
Schulter fester. Der Krankenwagen fuhr nun eine ebene Straße entlang, nicht
mehr weit vom Krankenhaus entfernt.
    »Hat Vicky Cushman Sie angerufen und
Ihnen gesagt, wo Irene wohnt?«
    »Am Sonntag morgen. Ich schlief. So,
als ob nichts geschehen wäre. Wenn sie nicht angerufen hätte, hätte ich mich
vielleicht der Polizei gestellt. Aber dann dachte ich an Irene. Daß sie mir
alles genommen hatte. Frank... und die schöne Zeit, die wir hatten. Sie und ihr
Balg waren der Grund, warum ich ihn erschoß. Ich wußte, was ich zu tun hatte.«
    »Und was?«
    Schweigen.
    »Warum sind Sie heute abend zu den
Cushmans gegangen?«
    Sie schwieg immer noch.
    Ich dachte an die Ankunft der Polizei
zurück. Mir fiel ein, daß ihre Handtasche am Boden gelegen hatte. Einer der
Bullen hatte sie aufgehoben und durchsucht; ich hatte ihn beobachtet; er hatte
keine Waffe gefunden.
    Ich sagte sanft: »Sie brauchen nicht
mehr zu reden. Es ist besser, wenn Sie niemandem mehr etwas sagen, nicht einmal
mir, bevor Sie mit Ihrem Anwalt gesprochen haben.«
    Einen Augenblick lang schaute sie mich
neugierig an. Schließlich sagte sie: »Sie verstehen mich?«
    »Ja.«
    »Ich wollte doch nur etwas, das mir
gehörte. Jeder braucht so etwas. Ist es falsch, das zu wollen?«
    »Nein«, antwortete ich automatisch.
Dann dachte ich an Irene... Vicky... Gerry. An Anne-Marie... Hank... Rae. Und
an mich selbst.
    »Nein«, sagte ich fest. »Ganz und gar
nicht.«
     
     
     

28
     
    Es war wieder Sonntag — einer dieser
klaren Herbstnachmittage, an denen man glaubt, daß es nie Winter werden wird.
Ich saß auf meiner Veranda in der Sonne und dachte daran, die Zwiebeln und
Rosenkohlpflänzchen, die ich an jenem Sonntag, der nun so weit zurückzuliegen
schien, gekauft hatte, einzupflanzen. In der Küche lief im Radio das Spiel der
Neunundvierziger, aber ich hörte nicht richtig zu; die Mannschaft war einfach
zu gut und gewann in dieser Saison so mühelos, daß ich mich nicht recht für
Football begeistern konnte. Es reichte mir, in meinem dicken roten Pulli und
meinen Jeans dazusitzen und die Gartenarbeit ganz langsam anzugehen.
    Heute fühlte ich mich zum erstenmal,
seit den frühen Morgenstunden am Mittwoch, wieder richtig munter. Die
Ereignisse in der Stillman Street und später bei den »Schlössern« hatten bei
mir ein Stimmungstief bewirkt, das sich nicht so schnell abschütteln ließ. Hal Johnstone
war am Mittwoch in
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