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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich
Autoren: Marcia Muller
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der Nähe von Hollister festgenommen worden; er hatte alles
abgestritten, einen bekannten Anwalt angeheuert und insgesamt gute Aussichten,
freizukommen, es sei denn, es gelänge Irene und mir, die Geschworenen mit
unseren Aussagen zu überzeugen. Außer ihm tat mir jeder, der in diesen Fall
verwickelt war, leid:
    Vicky, die sich in stationärer
Behandlung im psychiatrischen Institut Langley Porter befand — an sich eine
Ironie, denn diese Klinik gehört ihrem Erzfeind, der medizinischen Fakultät der
Universität von Kalifornien. Gerry, der sich entschlossen hatte, zumindest so
lange bei seiner Frau zu bleiben, bis sie wieder gesund war, und sich als
alleinerziehender Vater in den »Schlössern« um seine Töchter kümmerte. Irene,
die sein Entschluß so getroffen hatte, daß sie in das Frauenhaus von Orange
County zurückkehrte, wo sie während ihrer ersten Krise behandelt worden war.
Und Susan, Lindy und Betsy, die unschuldigen Opfer dieser tragischen
Ereignisse.
    Und dann war da noch Jane ; sie tat mir
am meisten leid. Sie war aus dem Krankenhaus entlassen und den Behörden von San
Benito übergeben worden. Ihre Verhaftung und die seines Sohnes hatten Harlan
Johnstone endlich aus seinem Alkoholnebel herausgerissen, und er hatte ihr
einen guten Anwalt verschafft. Am Freitag war ich hingefahren und hatte sie im
Gefängnis besucht.
    Jane hatte sich seit unserer ersten
Begegnung vor einer Woche, als sie eine Horde Kinder herumkommandiert hatte,
sehr verändert. Sie saß mir gegenüber im Besucherzimmer, ihr Gesicht sah
angespannt und traurig aus; ich hatte ihr Zigaretten mitgebracht, und sie
rauchte eine nach der anderen. Die Kinder, sagte sie, seien immer noch bei
ihrer Freundin. Alle seien sehr nett: Harlan Johnstone zahle die Anwaltskosten;
Walt Griscom habe bei seinen Kunden um Spenden gebeten und bei ihrer Freundin
eine Ladung Lebensmittel abgegeben, damit die Kinder etwas zu essen hätten; einige
der Ehefrauen der Rancharbeiter hätten sie besucht und ihr Hilfe angeboten. Ihr
Rechtsanwalt sei der Ansicht, daß sie mit einer geringen Strafe oder mit
Bewährung davonkommen könne — er würde auf verminderte Zurechnungsfähigkeit
plädieren, meinte Jane. Die Kinder schienen noch nicht richtig zu verstehen,
was passiert war.
    »Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem
sie es verstehen«, sagte sie. »Ich fürchte, sie werden sich dann gegen mich
wenden.«
    »Vielleicht am Anfang«, sagte ich,
»aber dann werden sie Ihnen sicher vergeben.«
    »Vielleicht.« Doch aus ihrem Gesicht
sprach keine Zuversicht. Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Wissen Sie, was
komisch ist? Bis die Polizei mich am nächsten Tag im Krankenhaus verhört hat,
habe ich gedacht, daß Irene auf mich geschossen hätte, nicht Mrs. Cushman. Es
wäre mir lieber gewesen, wenn es Irene gewesen wäre; dann hätte ich sie
weiterhin hassen können. Jetzt weiß ich nicht so recht. Vielleicht hätte ich an
ihrer Stelle genauso gehandelt.«
    Darauf wußte ich keine Antwort. Jane
schien auch keine zu erwarten. Sie zündete sich noch eine Zigarette an und
starrte ins Leere. Dann sagte sie: »Ich denke immer darüber nach, wie alles
hätte anders kommen können. Ich wünschte, wir hätten Texas nie verlassen und
wären nie an diesen traurigen Ort gezogen.«
    Das wünschte ich auch.
    Wir sprachen dann nicht mehr lange. Als
ich ging, sagte ich, daß ich wiederkäme, wenn sie das wolle. Sie sagte, sie
würde ihre Freundin bitten, mich anzurufen und einen Tag auszumachen. Aber
irgendwie hatte ich Zweifel, daß sie das wirklich tun würde.
     
    Jetzt schüttelte ich die trüben
Gedanken ab und schaute zu den Rosenkohlpflänzchen hinüber. Die Tüte mit den
Zwiebeln stand daneben. Ich müßte ein Beet anlegen — mein Garten war vollkommen
von Unkraut und wilden Brombeersträuchern überwuchert. Ich hatte fast den
ganzen Nachmittag Zeit, zumindest bis drei, und ich beschloß, vorher noch ein
Glas Wein zu trinken.
    Als ich in die Küche ging, stand es zur
Halbzeit achtundzwanzig zu sieben für die Neunundvierziger. Ich schaltete das
Radio aus und ging wieder nach draußen. Das Spiel war immer noch aus den
Fernsehgeräten und Radios in einem Umkreis von vier Häuserblocks zu hören. Ich
saß auf meinen Verandastufen an den Pfosten gelehnt und dachte an Leute, die
mir näherstanden als Jane.
    Hank verbrachte immer noch viel Zeit im
Remedy; er und Jack führten an einem der Spielautomaten in der Bar regelmäßig
Turniere durch. Anne-Marie hatte mit mir immer noch nicht
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