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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich
Autoren: Marcia Muller
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über ihre Probleme
gesprochen; ihr Anrufbeantworter warf die “Leute immer noch vor dem Pfeifton
aus der Leitung. Und dann war da noch Rae...
    Am Dienstag abend hatte ich ihre
dringende Nachricht ignoriert und prompt vergessen. Am Donnerstag morgen hatte
sie sich im Büro mit roten Augen trotzig vor mir aufgebaut.
    »Also gut«, sagte sie, während sie den
schrecklichen blaugoldenen Schal von ihrem Hals wand und ihn wie einen
Fehdehandschuh vor mir auf den Boden warf. »Also gut — du wolltest, daß ich
mein eigenes Leben lebe, und zum Teufel mit Doug. Hier bin ich also!«
    Ich drehte mich in meinem Stuhl herum
und starrte sie an, als ob sie verrückt geworden wäre.
    »Hier bin ich«, wiederholte sie. »Aber
hättest du mir nicht wenigstens helfen können?«
    »Ich verstehe überhaupt nichts.«
    »Hat dir Hank denn nichts erzählt? Oder
Ted?«
    »Was sollten sie mir denn erzählt
haben?«
    Sie begann im Zimmer auf und ab zu
gehen, nahm dies und jenes in die Hand, betrachtete es und stellte es wieder an
den Platz zurück. Als sie meine Gorillamaske anschaute — ein Geschenk von einem
Mandanten, der weiß, daß ich immer schon einmal gern an Halloween als Gorilla
verkleidet im Trader Vic’s zu Mittag gegessen hätte — , rümpfte sie die Nase.
Ich hatte plötzlich die absurde Angst, daß das an meinem schlechten Geschmack
lag.
    Schließlich sagte sie: »Ich habe dich
am Dienstag abend angerufen. Ich mußte mit dir sprechen, aber du hast nicht
zurückgerufen.«
    »Ich nehme an, du hast gehört, was
passiert ist. Du kannst sicher verstehen...«
    »Ich hätte dir helfen können, weißt du.
Du hättest das nicht alles allein zu machen brauchen.«
    »Auf die Idee bin ich gar nicht
gekommen.«
    »Natürlich nicht! Du machst ja immer
alles allein. Das ist so deine Art, nicht wahr?«
    Ihre Worte überraschten mich. Aber das war wirklich meine Art. Und daran konnte ich einfach nichts ändern.
    »Na ja«, fuhr Rae fort, »ich mußte auch alles allein machen. Also habe ich mit Hank gesprochen, und hier bin
ich.«
    Ich mußte mich sehr zurückhalten, um
mir nicht die Haare zu raufen und loszuschreien. Aber ich zwang mich zur Geduld
und fragte: »Was soll das heißen — ›Hier bin ich‹?«
    »Ich verlasse Doug und ziehe hier bei
All Souls ein.«
    »Was?«
    »Wir haben am Dienstag nachmittag mit
der Therapie angefangen, eine Paartherapie. Und weißt du, was der Scheißkerl
gesagt hat? Er hat zugegeben, daß er den Selbstmordversuch nur vorgetäuscht
hat, damit ich meine Arbeit hier aufgäbe, ich sollte wieder bei der Wach- und
Schließgesellschaft anfangen und mich mehr um ihn kümmern. Er hat gesagt, er
habe gewußt, daß ihn die Tablettendosis nicht umbringen würde. Er wollte nur,
daß zwischen uns wieder alles so werde, wie es einmal war.«
    Sie begann wieder hin und her zu gehen,
packte die Gorillamaske und zupfte an den Haaren.
    »Verdammt, Sharon, er hat mich zum
Opfer seiner Selbstsucht gemacht. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt und
etwas getan, von dem er wußte, daß es mich verletzen würde — aus purem
Egoismus. Er wollte, daß ich meinen Traum dem seinen opfere, und das ist
einfach unfair. Ich habe auch ein Recht auf meinen Traum!«
    Ich war erleichtert. Rae würde keine
Jane Wilkonson werden.
    Ich formulierte meine Antwort
vorsichtig. »Ich glaube, daß es dann wirklich das beste ist, wenn du ausziehst.
Aber ich würde die Therapie nicht aufgeben. Oder mich schon scheiden lassen.«
    »Oh, mach dir keine Sorgen — das habe
ich nicht vor. Doug muß lernen, daß er mich nicht so manipulieren kann. Er muß
lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn er bei der Therapie mitarbeitet und
wenn sie ihm wirklich nützt, dann bin ich bereit, mich mit ihm zu versöhnen.
Aber im Augenblick verlasse ich mich nur auf mich selbst.«
    Dann blickte sie auf die Gorillamaske;
sie hatte jetzt mitten auf dem Kinn eine kahle Stelle. »O Gott, das tut mir
leid!« sagte sie.
    »Macht nichts — er sieht so viel besser
aus. Viel charaktervoller. Wann ziehst du hier ein?«
    »Am Sonntag. Dann leiht mir jemand
seinen Transporter. Könntest du mir vielleicht helfen?«
    »Sicher. Aber in welches Zimmer ziehst
du denn? Sie sind doch alle bewohnt.«
    »In mein Büro.«
    »Rae, das ist kaum größer als ein
Schuhkarton!«
    »Das macht nichts — es wird schon
gehen. Hank sagte, ich könnte ein paar Sachen auf den Dachboden stellen.«
    Ich dachte an das zusätzliche Zimmer,
das’ich in meinem Haus hätte, sobald das neue Schlafzimmer
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