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0015 - Der Morddämon

0015 - Der Morddämon

Titel: 0015 - Der Morddämon
Autoren: Traute Maahn
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Fürchterliche Angst kroch in Stephen McTrash hoch. Es wimmelte in der Kronkolonie Hongkong von lichtscheuem Gesindel. Wollten ihn die Chinesen ausplündern? Aber da war auch noch etwas anderes als die körperliche Bedrohung. Die Blicke dieser Männer rührten in McTrash etwas auf, was ihn in Panik versetzte.
    Und jetzt öffneten die Chinesen ihren Mund und grinsten. »Stehen Sie auf. Kommen Sie mit. Ming-Li erwartet Sie.« Ihre langen Schneidezähne, die über die Unterlippe ragten, wurden sichtbar. Unwillkürlich wurde McTrash an Vampire erinnert. Da hatte er neulich erst einen Schocker im Kino gesehen…
    Plötzlich sah er in den Händen der Eindringlinge vier seltsame Geräte, die wie Spiegel aussahen. Aber… das waren ja keine Chinesen, sondern lebensgroße lächelnde Puppen mit starren Gesichtern und gnadenlosen Augen.
    Rosarotes Licht bohrte sich in seine Augen, blendete ihn, machte ihn wie blind.
    »Was… Hören Sie auf damit. Sie – Sie sind ja gar keine Menschen. Verlassen Sie sofort mein …«
    Stephen McTrash, 43 Jahre alt, gebürtiger Schotte, Industrieller, kürzlich Witwer geworden, fühlte sich auf einmal in eine andere, gespenstische Welt versetzt. Grenzen zwischen Raum und Zeit waren von ihm innerhalb einer Sekunde überschritten worden.
    Mit weit aufgerissenen Augen sah er Schatten vorübergleiten, Fratzen vor sich auftauchen, die mit Menschengesichtern nichts mehr gemein hatten. Lange Finger mit Krallen griffen nach ihm. Die Wesen, die ihn bedrängten, waren Dämonen, er wußte es plötzlich, ohne daß es ihm jemand erklärt hatte.
    Und er spürte, daß nicht nur sein Körper einem fremden Willen unterworfen war, sondern auch sein Geist, sein Wille… Völlig gelähmt ließ er es geschehen, daß man ihn fortzerrte. Schwebte er? Er stand unter einem hypnotischen Zwang, der ihn wie eine Marionette agieren ließ.
    Ein körperloser Hauch des Grauens erfaßte ihn, er wehrte sich nicht, brachte nicht einmal den Gedanken an Flucht auf.
    Daß er noch vor wenigen Minuten an seinem Schreibtisch im Chefzimmer des großen Unternehmens S. M. P. gesessen und Privatbriefe diktiert hatte, war ausgelöscht aus seinem Gedächtnis.
    Daß vier Gestalten in grauen Kitteln zu ihm eingedrungen waren – nein, das wußte er auch nicht mehr.
    Unverständliche Worte drangen halblaut an sein Ohr. Er ließ sich treiben.
    Nur etwas empfand er, was ihn in seiner Trance störte und was ihn sich nicht völlig der übersinnlichen Macht des Bösen ausliefern ließ: Es war die Angst.
    Sein Körper verkrampfte sich, und wild pochten seine Schläfen.
    Stoßweise ging sein Atem, Dann spürte er den Schmerz, den er unbewußt die ganze Zeit über befürchtet hatte. Ihm war, als würde sein Kopf vom Rumpf getrennt. Er öffnete den Mund, um einen Schrei auszustoßen, brachte aber nur ein qualvolles Gurgeln hervor.
    Das ist das Ende! dachte Stephen McTrash. Schlagartig setzte die Funktion seines Geistes wieder ein. Ich bin tot. Ich werde London und Glasgow, meine Heimatstadt, nie mehr wiedersehen.
    Dann machte der Schmerz ihn halb irr. Grauenvolle Visagen beugten sich über ihn. McTrash brach kalter Schweiß aus. Aber schreien konnte er immer noch nicht.
    Als er den Schlag an den Schädel bekam, war es wie eine Erlösung für ihn. Alles versank. Der Schmerz, die Angst, sein Gefühl, in einer fremden, unheimlichen Welt zu sein.
    War das der Tod, den er niemals herbeigesehnt hatte – bis vor wenigen Augenblicken?
    ***
    Sein Kopf war kahlgeschoren. Ein langer dünner Zopf hing von der Mitte des Hinterschädels fest geflochten über seinen Rücken.
    Er trug ein blutrotes Priestergewand mit schwarzen und grünen Hieroglyphen darauf.
    Sein Gesicht war wie eine Maske.
    Er hatte schräggestellte, tückische kleine Augen. Die Brauen waren abrasiert. Eine breite Nase, von der man nur die beiden Nasenlöcher wahrnahm, beherrschte das Gesicht. Ein zusammengekniffener Mund wurde umrahmt von einem schmalen Schnauzbart, der sich in seinen beiden Spitzen am fliehenden Kinn des Mannes traf.
    Stephen McTrash starrte beim Erwachen in dieses Gesicht und war nicht sehr überrascht. Sieben Jahre lang hatte er in Hongkong gelebt, da gewöhnte man sich an die Angehörigen der gelben Rasse.
    Doch als der Fremde anfing zu sprechen, packte McTrash das Grauen.
    »Weißt du, was der Name Cathay bedeutet?« fragte der fremde Chinese mit hohler Stimme.
    »Cathay?« wiederholte McTrash. Unter dem Namen Cathay war das chinesische Reich im Mittelalter bekannt. Es wurde
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