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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Zeit.«
    »Stimmt. Und darum muß ich mich auch ein wenig von der Ehe erholen. Ich bin jetzt der schöne junge Witwer in tragischem Schwarz. Habt Ihr bemerkt, wie viele Frauen mir letztens angeboten haben, mit mir zu beten? Meine Tröstung macht gewaltige Fortschritte.«
    »Hugo, wie konntest du nur solch ein Unmensch werden?« knurrte der alte Mann.
    »Ei, Vater, ich habe mich stets genau nach Euch ausgerichtet«, antwortete Hugo fröhlich. Alte Männer werden immer so gebrechlich, dachte er. Demnächst geht Vater noch am Stock, beklagt sich über sein Zipperlein und wärmt sich in der Sonne wie eine Eidechse. Ach, das Leben ist ein Geheimnis. Gott sei Dank, daß mir so etwas Abartiges wie Altwerden nie zustößt.
    »Aber Frauen, Hugo…«
    »Wenn Ihr an Frauen denkt, denkt an fleischliche Lust«, meinte Hugo. »Ein anderer Gedanke paßt gar nicht in ihr Spatzenhirn.«
    Als sie daheim ankamen, kümmerte sich Sir Hubert zunächst um die Pferde, dann ging er hinauf in seine Kammer und ließ sich den kleinen Bronzespiegel bringen, in dem er seine Gesichtszüge studierte. Nicht übel, gar nicht so übel, dachte er. Nicht jung, aber Falten und Narben wirken edel und gereift. Doch vielleicht sollte ich mir, um einer Lady zu gefallen, die Haare schneiden lassen. Er hieß also den Knecht die Schere holen und ließ sich den wilden weißen Bart stutzen und die grauen Haare abschneiden, die ihm aus den Ohren wuchsen. Dann musterte er sein Spiegelbild erneut. Es ist doch ein Unterschied, so dachte er, ob man sich für weibliche Gesellschaft gefälliger macht oder alle Charaktermerkmale entfernt. Also begnügte er sich damit, die langen abstehenden Haare seiner buschigen weißen Brauen zu stutzen, anstatt sie auch noch zu glätten wie ein Geck. Alsdann klatschte er sich die Haare mit Gänseschmalz an den Schädel und zog in der Mitte einen säuberlichen Scheitel. »Ich sehe aus wie ein affiger Tanzlehrer«, brummte er in seinen Bart.
    Dann machte er sich im Sonntagsstaat auf die Suche nach Madame, die mit den kleinen Mädchen und ein paar Mägden im Backhaus war und auf einem hölzernen Schieber mit langem Griff große, runde, hoch aufgegangene Brotlaibe in den Ofen schob. Als Cecily und Alison den alten Mann erblickten, nahmen sie Madame wortlos den Schieber aus der Hand und banden ihr die Schürze ab, so daß sie diese verstohlen beiseite legen konnte. Madame und Sir Hubert gingen zusammen in Margarets Kräutergärtlein, wo die Kletterrosen an der Mauer die Blätter fallen ließen und zwischen den Dornen reife, kleine rote Hagebutten leuchteten. Es duftete noch nach Salbei und Thymian und all den guten Dingen, die man für den Winter getrocknet hatte.
    »Madame«, sagte Sir Hubert. »So schnell gebe ich nicht auf. Ich bin gekommen, Euch Herz und Hand anzutragen.« Madame blickte stumm zu Boden.
    »Ihr sollt eine Gesellschafterin Eurer Wahl bekommen, damit Ihr nicht ohne die treffliche Gesellschaft Eures eigenen Geschlechtes seid«, sagte er. Madame blickte noch immer zu Boden, doch er konnte hören, daß sie schwer atmete. Ein gutes Zeichen. »Dieses Haus – dieses Haus hat keine pucelles und Pagen mehr aufgenommen, seit es keine Burgherrin mehr hat«, sagte er. »Es könnte wieder voll fröhlicher Jugend sein, an der sich Euer Herz erfreut.« Madame hob den Blick und bemerkte seinen säuberlich gestutzten Bart und das Gänseschmalz. Es klappt, dachte Sir Hubert. Aber noch hat sie nicht ja gesagt. Und so schmiedete er sein Eisen weiter. »Und es soll Euch jederzeit ein schöner Zelter zur Verfügung stehen.« Madame schwieg sich aus und blickte wieder zu Boden. »Und zwei neue Kleider jährlich… Ha, ehem, das zu Weihnachten nicht mitgerechnet«, setzte Sir Hubert hastig hinzu, und Madame blickte wieder hoch. Ihr Gesicht war sehr blaß.
    »Und jedes Jahr eine Reise nach London… Nein, zwei Reisen.« Jetzt lächelte Madame ganz eindeutig, es war ein verhaltenes Lächeln. Sir Hubert spürte, wie ihm das Blut durch die Adern brauste.
    Madame blickte ihm tief in die Augen, dann antwortete sie: »Ihr müßt natürlich den Mann meiner Schwester fragen, er ist das Familienoberhaupt. Ich glaube nicht, daß er Einwände macht«, sagte Madame mit gelassener Stimme. »Mein Vetter hat mir meine Ländereien, das heißt meine Mitgift, entrissen, und der Mann meiner Schwester hat mich immer nur widerwillig unterstützt.«
    Sir Hubert blickte sie erstaunt an. Seine Brauen sträubten sich noch mehr, und er wurde ganz rot im Gesicht. »Der
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