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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle
Autoren: Judith Merkle-Riley
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ab.
    Als er sich am nächsten Vormittag mit dem Richter zu Tisch setzte, sahen beide zu, wie Madame eine Mahlzeit in den Söller hochschicken ließ, den Sargträgern Befehle erteilte und für den Abend ein Begräbnismahl in genau der Schlichtheit anrichten ließ, wie es ein Tod erforderte, den man besser mit Schweigen überging. Und da sagte Sir Hubert: »Sie hat alles ganz hervorragend geordnet, nicht wahr?«
    »Gutes Blut schlägt immer durch«, sagte der Richter. Das stimmte Sir Hubert nachdenklich.
    Als die Glocke läutete und der Leichenzug sich vor dem Burgtor in Bewegung setzte, wandte sich Sir Hugo, der dem Leichnam zusammen mit seinem Vater zu Fuß folgte, an seinen Vater.
    »Was für eine Erleichterung, daß Madame daheim ist und sich um alles kümmert. Mein Leben war die reinste Hölle, nie habe ich beim Heimkommen gewußt, was ich in meiner Kammer vorfinden würde. Könnt Ihr Euch vorstellen, daß meine Frau mein neues Wams im sächsischen Stil zerschlitzt hat? Und das, nachdem ich mir damit soviel Mühe gegeben habe.« Und Sir Hubert, dem erste unangenehme Gewissensbisse zusetzen wollten, fielen plötzlich Steine von der Seele. Und in dieser erleichterten Seele nahm der Gedanke, den er gewälzt hatte, weiter Form an und wurde zur brillanten Eingebung.
    An dem Nachmittag, an dem man Hugos Frau mit ein paar Gebeten mehr – schließlich sollte sie nicht als Geist umgehen – schön tief zur letzten Ruhe gebettet hatte, suchte Sir Hubert seinen jüngeren Sohn auf, um sich mit ihm zu beraten, dem einzigen Stammesmitglied, das in gewissen Dingen einigermaßen Erfahrung aufzuweisen hatte.
    Er fand Gilbert am Bett seiner Frau sitzend, wo er mit ihr Händchen hielt. Margaret lehnte in Bergen von Kissen und hatte bereits wieder ein wenig Farbe. Der Kleine war nicht mehr im Bett, und als Sir Hubert die leere Stelle sah, überfielen ihn schon wieder Sorgen.
    »Vater, wir haben ausgezeichnete Nachrichten. Peregrine ist während Eurer Abwesenheit aufgewacht und wieder wohlauf. Er hat so viel Krach gemacht, daß ich ihn mit seinem neuen Kindermädchen nach unten geschickt habe, damit er sich etwas zu essen holt. Und seht her, ich habe Margaret zum Lächeln gebracht.«
    »Das war kein Lächeln«, sagte Margaret, »das war eine Grimasse. Kein Mensch auf der ganzen Welt macht so schlechte Wortspiele wie du.«
    »Das ist auch eine Kunst«, sagte Gilbert heiter. Sie sind trotz allem sehr glücklich, dachte Sir Hubert. Ob das so gedacht ist?
    »Gilbert, ich habe eine Idee«, verkündete er.
    »O nein«, sagte Gilbert sehr leise, und sein Gesicht wurde blaß.
    »Nicht schon wieder«, sagte Margaret gedämpft, und Sir Hubert bemerkte auf ihrer Stirn winzige Fältchen, die vorher nicht dagewesen waren.
    »Eine sehr gute Idee, und ich möchte mich mit dir beraten, wie man sie am besten in die Tat umsetzt. Ich kann mir keinen Fehler leisten. Und du weißt ja, wie empfindlich manche Leute sind.«
    »Manche Leute? Meinst du Hugo?«
    »Nein, ich meine, ehem, Madame. Das heißt Madame Agathe, um genau zu sein.«
    »Ach. Wirklich? Was habt Ihr im Sinn?«
    »Nun ja, ehem, du weißt, daß die Burg dringend instandgesetzt werden muß…« Margarets Augen funkelten gereizt.
    »Und letztens ist mir aufgefallen, daß Madame eine sehr tüchtige Frau ist. Sie bringt zwar nichts mit in die Ehe, aber sie hat hervorragende Charaktereigenschaften – das heißt gutes Blut, und somit wäre es keine Schande…«
    »Vater«, sagte Gilbert und wurde ein wenig rot, »soll das heißen, Ihr wollt Madame einen Heiratsantrag machen?«
    »So ist es – ehem, es erscheint zweckmäßig, nicht wahr? Eine Art Lebensgemeinschaft. Ich meine, rein oberflächlich betrachtet, wäre eine jüngere Frau mit Mitgift gewiß besser, aber die hätte vielleicht nicht die erforderliche Charakterstärke, es…«
    »Ihr meint, die erforderliche Charakterstärke, es mit Euch auszuhalten?« fragte Gilbert, und ein hinterhältiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ei, Vater, meinen Segen habt Ihr.«
    Margaret machte besorgte große Augen. Der unleidliche alte Mann war regelrecht heiratswütig. Zuerst ihre Cecily und jetzt Madame. Ehrlich, jemand sollte Madame vorwarnen, auf welch gräßlichen Einfall er gekommen war.
    »Aha, dann hältst du es für eine gute Idee. Das habe ich mir gedacht«, meinte der alte Ritter.
    »Setzt aber Eure Worte wohl, wenn Ihr sie fragt. Ich habe so meine Erfahrungen mit Madame. Ihr müßt sehr taktvoll sein«, sagte Gilbert, doch da war sein
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