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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle
Autoren: Judith Merkle-Riley
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nur zu seinem Besten. Und du mußt zugeben, Madame als Herrin von Brokesford war ein unvergleichlicher Einfall.«
    »Mehr als unvergleichlich. Es war ein Geniestreich«, antwortete ich. Danach summte Gilbert seinerseits tonlos vor sich hin, und alles, weil er so zufrieden war und sich so viel auf seine Klugheit einbildete.

    Als sich schließlich all die Gäste und Freunde und Dorfbewohner und Gaffer vor dem Kirchenportal eingefunden hatten, um mitzuerleben, wie Sir Hubert Madame den Ring ansteckte, erwartete sie eine weitere Überraschung. Sir Hubert verkündete mit lauter, fester Stimme, seine Morgengabe für die Braut sei ein Anteil auf Lebenszeit an Dorf und Ländereien von Hamsby mit allen diesbezüglichen Pachteinnahmen und Abgaben. In dem allgemeinen Aufruhr puffte Hugo Gilbert.
    »Was meint er mit Hamsby auf Lebenszeit? Wovon, um Gottes willen, soll ich denn leben? Von dem Rest?«
    »Wie ich höre, läßt er aus dem Süden eine Rasse besonders haariger Schafe kommen, die ihr gefallen«, sagte Sir John. »Nicht auszudenken, Schafe in Hamsby. Schafe taugen nur für Leibeigene. Edelleute haben Pferde.«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Sir William, der in Begleitung seiner Frau und seines Sohnes Philipp gekommen war, der vor vielen Jahren zusammen mit Gilbert Knappe gewesen war. »Meine Joan beschäftigt Spinnerinnen, die die feinste Wolle von ganz Derbyshire herstellen, und die Schafe, zu denen sie mich überredet hat, bringen genug ein für ein neues Torhaus und für den Ritterschlag meines zweiten Sohnes. Man darf sie nur nicht auf gutem Boden weiden lassen. Den zertrampeln sie.«
    »Ha, wenn der aus seinem Liebeswahn erwacht und merkt, daß überall auf seinem Land Schafe weiden, dann dreht er durch«, meinte Sir John. »Ah, die Kirchentür geht auf. Nun seht euch das an! Ein Buntglasfenster! Wie hat er das denn geschafft?« Die geladenen Ritter staunten über die in neuem Glanz erstrahlende Kirche. Ich sah Gilbert an, und Gilbert sah mich an, und wir schwiegen lange. Ich war von Anfang an der Meinung, daß ein Fenster in Anbetracht des Vorgefallenen so geschmacklos wie nur irgend möglich war, und Gilbert sah das auch so, hatte es seinem Vater aber nicht ausreden können. Christus als Dämonenbezwinger, ein Geschenk zum Andenken an seine Hochzeit. Warum keine liebliche Muttergottes oder einen Christus in seiner ganzen Glorie oder vielleicht einen Erzengel Michael? Aber nein, Dämonen mußten her, kamen allesamt aus dem Mund einer Frau geflogen und flatterten mit ledrigen Flügelchen davon. Gilberts Vater sagte, so zieme es sich.
    »Du meine Güte, Christus als Dämonenbezwinger. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein, das ist doch die wundertätige Kirche. Wenn ich hier eine Kerze opfere, ob die Heilige dann wohl die Mäuse in meinen Vorratsscheuern ausrottet?« Als ich das die Gäste sagen hörte, ging mir auf einmal ein Licht auf.
    »Gilbert«, flüsterte ich, »er hat das gräßliche Fenster wegen des Geldes ausgesucht.« Gilbert deutete mit dem Kopf auf den Opferstock.
    »Der ist seit – na, du weißt schon – immer voll gewesen. Die Kirche hat sich einen Ruf erworben.« Ich war seit meiner Genesung nicht mehr in der Dorfkirche gewesen und stellte fest, daß sie sich gewaltig verändert hatte. Alle Statuen prangten neu vergoldet, und es gab einen schönen neuen Lettner und sogar eine kleine Orgel, die ächzte und hämmerte, während ein schwitzender kleiner Junge den Blasebalg trat und ein alter Mönch Kirchenlieder spielte. Alles strahlte Wohlstand aus und machte sich gut, und überall drängten sich sonntäglich gekleidete Menschen. Vorn wurde in großem Stil die Hochzeitsmesse mit Bienenwachskerzen vom Feinsten und mit Weihrauch zelebriert, der angeblich aus dem Heiligen Land kam, aber vermutlich aus King's Lynn stammte.
    »Schnell, Margaret, denk an etwas Leidiges. Buchhaltung. Wieviel uns der Wein kosten wird.«
    »Warum denn? Paß auf, jetzt wird die Hostie erhoben.«
    »Margaret, du machst es wieder.« Ach herrje. Ich merkte, daß der Raum rotgolden leuchtete, Alison mich am Ärmel zupfte und Cecily peinlich berührt den Blick zur Deckenwölbung richtete. Mir schien, ich hörte auf einmal einen sonderbaren Laut, während ich auf meine Hände blickte und merkte, daß mein Licht zurückgekehrt war. Es war wie Sonnenlicht auf Wasser, hörte sich an wie schimmernde Bläschen, die über Kiesel im Bach tanzen. Ich hätte schwören können, daß ich in dem brechend vollen Kirchenschiff unter den
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