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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Wohlstand zurück.«

Kapitel 28
    I ch muß gestehen, in einem hatte ich mich getäuscht: Gilberts Vater borgte sich kein Geld für das Brautkleid. Er borgte nur für Wein und Spezereien und die Köstlichkeiten, die er für den Hochzeitsschmaus bestellte, aber Gilbert meinte, wenn man bedachte, wie sanftmütig sein Vater neuerdings unter Madame Agathes segensreichem Einfluß geworden war, hätte die Summe getrost doppelt so hoch sein können. In einer Truhe, unter lauter sonderbaren Dingen, die er von einem früheren Feldzug aus Frankreich heimgebracht hatte, fand sich noch eine Bahn figürlich gemusterter Seide, die einer Kaiserin wohl angestanden hätte, obschon ich den Verdacht hatte, daß sie ursprünglich für die Dalmatika eines französischen Bischofs bestimmt gewesen war. Mir übertrug er die Aufsicht über die Näherinnen, und Madame überwachte das Zuschneiden höchstpersönlich, und ich muß schon sagen, für eine Lady, die jahrein, jahraus nur das allerschlichteste Schwarz getragen hatte, besaß sie einen ausgeprägten Sinn für Mode.
    »Lady Margaret, Ihr seid mir doch nicht böse, daß ich jetzt diesen Platz in der Welt einnehme?« fragte sie, während wir an dem prachtvollen Kleid nähten.
    »Madame Agathe, falls ihr den alten Brummbären irgendwann einmal zähmen könnt, habt Ihr uns allen einen unbezahlbaren Dienst erwiesen. Ich für mein Teil werde Euch gern Mutter nennen und allezeit für Euer Glück beten.«
    Madame wirkte erleichtert, so als hätte ihr das schon lange auf der Seele gelegen. »Ich habe mir natürlich ein paar Gedanken gemacht, wie sich dieses Haus herrichten ließe«, sagte sie. »Von einem edlen Ritter wie Sir Hubert kann man schließlich nicht erwarten, daß er sich um so unbedeutende Kleinigkeiten kümmert. Er hat die Angelegenheiten der großen Welt zu bedenken.« Mir schien, sie war während des Sprechens ein wenig errötet, und über ihr strenges Gesicht huschte ein Lächeln. Du meine Güte, dachte ich, wer hätte das gedacht? Sie hat sich doch tatsächlich in den gräßlichen alten Mann verliebt.
    »Ich bin froh, daß Ihr mit ihm glücklich seid«, sagte ich.
    »Wie könnte es anders sein? Ein Held bei Poitiers, aus altem Geblüt und mit Verbindungen zu hohen Kreisen, listig im Umgang mit Feinden, gerecht im Urteil, ein wahrer Ritter, der seinesgleichen sucht. Der Vater Eures ritterlichen Gemahls kann gar nicht anders sein. Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Das macht das wahre Blut«, sagte sie, und ich staunte so, daß mir der Fingerhut entfiel. Schon bei dem geringsten Verdacht, daß auch nur die winzigste Ähnlichkeit zwischen den beiden bestünde, würde ich wahrscheinlich den Weg von Hugos seliger Gattin gehen. Wie konnte eine Frau nur so vom ritterlichen Sagengut durchdrungen sein, daß es sie blind für die überwältigende Abscheulichkeit dieses Mannes machte? Darum werde ich wohl auch nie eine echte Lady, seufzte ich im stillen. Erste Vorbedingung dafür sind Scheuklappen. Cecily, die mit den Nähfrauen an der Aussteuerwäsche arbeitete, sprang auf und fand meinen Fingerhut verkehrt herum in einer Ritze im Fußboden und brachte ihn mir. Wir tauschten einen verständnisinnigen und verwunderten Blick.
    »Ich habe mich dazu durchgerungen, diese grünen Schuhe trotz allem zu mögen«, sagte ich, denn ich hatte sie auch unter ihrem längsten Kleid erspäht. »Hast du die jeden Tag getragen, als ich im Bett lag und es dir nicht verbieten konnte?«
    »Das sind meine Lieblingsschuhe«, sagte sie mit geheimnisvollem Lächeln.
    »Cécile, deine Stiche sind sehr gleichmäßig und klein«, sagte Madame, die ihre Näharbeit begutachtete. »Meinen Glückwunsch.«
    »Merci, Beinahe-Großmutter«, antwortete sie, und ich merkte, daß sie unter ihren Sommersprossen errötete.
    »Lady Margaret, Ihr seht so blaß aus. Ihr dürft Euch mir zuliebe nicht übernehmen. Bitte, ruht Euch jetzt aus. Ihr habt soviel Blut verloren; wie soll Euer kleines Licht sonst wieder scheinen.« Ich stutzte, und sie lächelte ihr stilles, verständnisinniges Lächeln. »Meine Beinahe-Tochter«, sagte sie, »ich wäre keine Frau, wenn ich nicht wüßte, was Euch der Kampf mit dem Teufel im Weiher gekostet hat. Jede Seele auf dieser Burg ist Euch dankbar, daß Ihr eine Abmachung mit ihm aushandeln konntet.« Madame Agathe ist tatsächlich ein echte Lady, dachte ich. Für sie ist das Teichwesen ein Teufel. Nur so ungehobelte, ungebildete, unkultivierte Menschen wie ich sehen die Wasserfrau, wie sie
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