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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Mädchen ist rasch, ach so rasch dahingeschwunden, sie hätte es nicht mehr geschafft, dir zu gehören… Und ich war einsam. Jahrhundertelang einsam«, sagte die Wasserfrau. Und als ich das kleine Mädchen sehnsüchtig anblickte und mir mit hungrigen Augen jeden Gesichtszug einprägte, da merkte ich, daß sie sehr zart wirkte und von Wasserpflanzen und Träumen zusammengehalten wurde und daß nur der Zauber der grünen Frau sie am Leben erhielt.
    »Sei gut zu ihr«, sagte ich. »Sie ist sehr klug und wird ohne ihre Mutter betrübt sein. Du mußt sie zum Lachen bringen.«
    »Oh, ich habe tausenderlei schöne Dinge in meinem grünen Saal«, sagte die Wasserfrau. »Und ich will sie lieben wie mein eigen. Wir werden spielen und uns lustige Sachen erzählen und unter den Eiben Fische spinnen. Es ist nicht deine Schuld, daß dein kleines Licht nicht kräftig genug für zwei war.«
    »Das habe ich aber geglaubt, ich habe geglaubt, ich könnte es dazu bewegen«, sagte ich. »Ich bin habgierig gewesen und bin furchtbar gestraft worden. Aber welche Mutter könnte wohl wählen? Und nun ist mein Licht verloschen, und ich muß so tun, als ob alles beim alten wäre.«
    »Warum mußt du so tun?« fragte das Weiherwesen und blickte mich aus Höhlenaugen neugierig an.
    »Weil meine Seele so gern erlöst zum Himmel fliegen möchte, aber ich habe Kinder großzuziehen und einen Mann, für den ich sorgen muß, und ich muß meine Cecily aus den Schlingen dieses listigen alten Fuchses, des Richters, befreien.«
    Aber da lachte die Wasserfrau ein Lachen, als gluckste güldenes Wasser, und sagte: »Ist das alles?« So als ob es nichts wäre. Sie setzte sich neben mich, legte mir den wäßrigen Arm um die Schultern und setzte meine Kleine auf ihren Schoß. Und eines war daran merkwürdig: Ihr grüner Arm war warm und flüssig und duftete so lieblich wie alles Wachsende und umplätscherte mich, als würde ich schwimmen. »Mach dir keine Sorgen um deine Mädchen«, sagte sie. »Die schlagen sich schon durch. Alison ist von meinen Honigkuchen ganz fett geworden, und Cecily hat bei ihrem Heiratsgelöbnis meine Schuhe getragen. Ich verspreche dir, wenn der Mann, den sie einmal heiratet, nicht all ihre Bedingungen erfüllt, dann gibt es keinen Fluß in ganz England, der nicht ansteigen und ihn ersäufen würde.«
    »Dann bist du in allen Flüssen?« fragte ich, denn sie hatte mich neugierig gemacht.
    »O nein, ich reise nicht weit. Aber wir Wasser stehen alle miteinander in Verbindung. So hat uns der Große Schöpfer geschaffen.« Sie lachte noch einmal, ein Lachen, als plätscherte Bachwasser über Kiesel. »Und du«, sagte sie, »sei wieder guten Mutes. Dein Traumkind wird in meinem Haus liebliche Lieder singen – und eines kannst du mir glauben, sie sind weitaus schöner als das unmelodische Kyrie, das dieser langweilige Priester immer leiert –, aber merkst du nichts? Dein kleines Licht hatte sich nur ausgeruht, es flackert wieder auf. Siehst du? Es hatte sich erschöpft.« Ich blickte zu Boden, und da schien ich unter Wasser zu treiben, meine Kleider blähten sich und umschwebten mich, und tief unter meiner Haut schimmerte und flackerte ein rotgoldener Schein, als leuchtete mein Blut, als erholte sich eine Kerze von einem kalten Windstoß.
    »Ah! Da ist es wieder! Daran habe ich dich anfangs auch erkannt – an dem kleinen Licht, das so weich und warm war. Du bist oft gekommen und hast aus meiner Quelle Wasser zum Bierbrauen geschöpft.«
    »Und das Bier ist ausgezeichnet geworden«, sagte ich.
    »Aha, habe ich bei mir gesagt, ich kann kleine Frösche und Fische mit glänzenden Schuppen machen, aber Bier, nein, das habe ich noch nie gemacht. Jedenfalls kein gutes. Ich hätte dich gern näher kennengelernt, aber du bist weggegangen.«
    »Ich war hier nur auf Besuch.«
    »Das habe ich von meiner Base, der Themse, erfahren, die hat gesagt: ›Warum möchtest du ein Kindchen haben?‹ Und ich habe gesagt: ›Ich hatte einmal einen Mann mit einem kalten blauen Licht, das sehr kräftig leuchtete, aber der hat mir kein einziges Mal zugehört, obgleich er vierzig Jahre lang in der Einsiedelei neben mir gewohnt hat. Für ihn war ich die Stimme der Sünde.‹ Und du hörst mir jetzt zu, auch wenn du mein Wasser nur zum Bierbrauen und zum Waschen verwendest. So ist das eben. Aber wir vernünftigen Frauen verstehen uns. Ich brauche dich, Lady Margaret. Ich brauche jemanden, der bei den leuchtenden Wesen über mir ein gutes Wort für mich einlegt. Bei
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