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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
Autoren: Jessica Brody
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    Senderwechsel
    Der Mann, den ich suchte, hatte es sich an einem der Tische am Rande der Hotelbar gemütlich gemacht. Dunkles Haar, dunkler Anzug, Krawatte gelockert, oberster Hemdknopf offen. Er hatte den linken Arm über die Rücklehne der Sitzbank drapiert, trommelte mit den Fingern im Takt der dezenten Loungemusik auf den roten Samt und nahm dann und wann einen Schluck von seinem Schlummertrunk.
    Ich stand im Durchgang zur Hotellobby und beobachtete ihn unbemerkt.
    Er langweilte sich. Wartete auf Unterhaltung, Zerstreuung. Zumindest für diesen Abend.
    Er ließ sein geschultes Auge durch den Raum schweifen und taxierte das einzige weibliche Wesen in der Bar: Bundfaltenhose, biederer Rollkragenpulli. Resigniert wandte er den Blick ab und nippte erneut an seinem Drink.
    Das war mein Zeichen.
    Ich strich mir eine lose Haarsträhne aus der Stirn und betrat die Bar. Ganz gemächlich, damit er auch wirklich von mir Notiz nehmen konnte, was aufgrund der übersichtlichen Anzahl an Gästen und seiner bereits geschärften Wahrnehmung nicht weiter schwierig war.

    Manchmal ist einem das Glück eben besonders hold.
    Normalerweise sehen sie zuerst auf die Beine. Die meisten Männer haben eine Schwäche für nackte Beine. Tatsache. Vor zwei Jahren hätte ich noch behauptet, die Gesamtheit der heterosexuellen Männer würde zu gleichen Teilen auf Beine, Po oder Brüste sehen (die »Dreifaltigkeit der weiblichen Reize«, wie ich es nenne). Doch inzwischen weiß ich: Die Mehrheit guckt zuerst auf die Beine. Ich habe trotzdem immer drei Outfits im Gepäck, die je ein Element der Dreifaltigkeit besonders betonen. Nur für alle Fälle. Aber ich fange immer mit den Beinen an, und ich liege selten falsch damit.
    Ich war auf Firmenflittchen getrimmt: knappes schwarzes Kostüm, schwarze Riemchensandalen von Manolo, keine Strumpfhose. Seriös, aber durchaus freizügig. Ein Ensemble, das signalisiert: Ich will ernst genommen werden – aber es gefällt mir auch, wenn ich von den Männern bemerkt werde.
    In meinem Fall geht es nicht darum, ob es mir gefällt , bemerkt zu werden. Es gehört zu meinem Job, bemerkt zu werden. Ich erledige nur meine Arbeit, auch wenn manch einer diesen Aspekt kritisch sieht.
    Im Grunde war es ziemlich einerlei, ob ich es mit einem Beinfetischisten zu tun hatte oder nicht, als sein Blick erst einmal von meinen Knöcheln über die Schenkel nach oben bis zum Saum meines Minirocks gewandert war. Natürlich hörte er dort nicht auf; das tun die wenigsten. Allerdings können sie sich ab hier nicht mehr auf die Augen verlassen. Vom Rocksaum aufwärts ist die Fantasie gefordert.
    Ich stolzierte an seinem Tisch vorüber zum Tresen, als würde ich seine hungrigen Blicke nicht bemerken, und nahm auf einem der Barhocker Platz.
    »Grey Goose Wodka Gimlet, bitte.«
    Der Barkeeper nickte, erfreut darüber, dass es an diesem ereignislosen Mittwochabend endlich etwas zu tun gab (abgesehen
vom Polieren der Martinigläser), und legte mir eine Cocktailserviette hin.
    Mit einem ermatteten Seufzer stützte ich einen Ellbogen auf den Tresen und verfolgte, das Kinn in die Hand gestützt, wie mein Drink gemixt wurde. Meine Körpersprache signalisierte Überdruss. Langer Tag, lange Reise, lange, einsame Nacht in Aussicht.
    Es wirkte.
    Als mir der Barkeeper meinen Drink servierte und ich nach dem Portemonnaie griff, registrierte ich aus dem Augenwinkel, wie eine druckfrische Hundertdollarnote über den Tresen geschoben wurde. »Das geht auf mich.«
    Ich wandte den Kopf und musterte meinen Gönner etwas verdutzt, als hätte ich überhaupt nicht mit seinem Erscheinen gerechnet. Wie sollte ich auch?
    »Sehr liebenswürdig, danke«, sagte ich.
    Er grinste schmierig. »Gern geschehen.«

    Ich saß in dieser Bar, weil ich etwa eine Woche zuvor einen Anruf bekommen hatte. Von einer Frau, die meine Hilfe benötigte.
    Das tut jeder, der diese spezielle Nummer wählt. Genau deshalb gibt es die Nummer ja auch.
    Wir hatten ein Treffen für den darauffolgenden Tag vereinbart.
    »Ich komme zu Ihnen«, hatte ich wie immer angeboten. Wer besagte Nummer wählt, will diese Unterredung normalerweise in vertrauter Umgebung hinter sich bringen.
    Und so fand ich mich tags darauf in ihrem großen, elegant eingerichteten Wohnzimmer wieder und hörte mir ihre Geschichte an. Das Übliche. Ich hatte sie bestimmt schon
mindestens zweihundert Mal gehört, mal mit leichten Abweichungen, mal beinahe Wort für Wort gleichlautend.
    Aber das Motiv war stets dasselbe:
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