Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Witwe

Die Witwe

Titel: Die Witwe
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
männlicher, als Sie je
sein werden, Al Wheeler«, sagte sie kurz.
    »Sie geben mir keine
Gelegenheit, das Gegenteil zu beweisen«, sagte ich. »Und außerdem haben Sie
mich noch nicht in meinen neuen hawaiianischen Hosen gesehen.«
    »Seien Sie still!« befahl sie.
»Er spricht jetzt.«
    Der Prophet hob eine Hand und
sprach dann mit tiefer, klingender Stimme. »Mein Volk!« Seine Augen weiteten sich
ein wenig. »Verehrer des Sonnengottes! Wieder einmal haben wir seinen Hingang
mit angesehen. Aufs neue hat er uns den Mächten der Dunkelheit und des Bösen
überlassen. Aber in der Morgendämmerung wird er zurückkehren und seinen
lebenden Mantel von Licht und Wärme über uns breiten, und wir werden uns wieder
in Geborgenheit befinden...«
    In diesem Ton ging es eine
ganze Weile weiter. Ich unterdrückte ein Gähnen und überlegte, ob der
Sonnengott wohl etwas gegen das Rauchen einzuwenden hatte.
    Etwa zehn Minuten später kam
der Prophet zum Höhepunkt seiner Ansprache. »Anbetung allein genügt nicht«,
verkündete er mit tiefer Stimme. »Der Sonnengott verlangt mehr als nur
Verehrung, wenn er uns nicht den Mächten der Finsternis ausliefern soll. Der
Sonnengott verlangt Opfer.«
    Seine Rechte ballte sich zur
Faust, während er langsam den Arm hob. »Opfer! Nur so kann der Sonnengott
befriedigt werden. Wir haben ihm einen Altar gebaut, der seiner würdig ist, und
nun müssen wir noch größere Opfer bringen, um selber seiner würdig zu sein.«
    Sein rechter Arm flog nun nach
hinten, und sein Zeigefinger wies auf den Ausläufer des Berges, der sich hinter
ihm im Nichts verlor. Es war die höchste Spitze des Bald Mountain. Von dort bis
zum darunterliegenden Talboden gab es nichts als gut zweihundertfünfzig Meter
Abgrund.
    Ich blickte zu dem Ausläufer
hinüber und entdeckte etwas, was ich zuvor nicht bemerkt hatte: den Altar. Er
war knapp anderthalb Meter hoch und sah hübsch und irgendwie aseptisch aus mit
seinen klaren rechtwinkligen Linien.
    »Größere Opfer«, wiederholte
der Prophet langsam. »Wir alle müssen für den Bau des neuen Schreins spenden.«
Seine Stimme sank in eine tiefere und ruhigere Tonlage hinab. »Die Zeit vergeht
rasch. Es bleiben nur noch zwei Tage.«
    Seine Stimme erhob sich in erneutem Krescendo . »In zwei Tagen von heute an werde ichdazu berufen, mich dem Sonnengott zuzugesellen! Wenn dieses
glorreiche Ereignis eingetreten ist und ich mit ewig währendem Licht und ewig
währender Wärme vereint bin, dann müßt ihr, meine Jünger, den glorreichen
Schrein zur Erinnerung an dieses hervorragende Ereignis erstellen.
    Ich habe eine weitere
Weissagung für euch. Ich werde mich am Sonntagabend bei Sonnenuntergang mit dem
Sonnengott vereinen. Zwischen diesem Augenblick und dann wird dem Sonnengott
ein großes Opfer gebracht werden müssen.« Für zehn Sekunden herrschte tiefe
Stille. »Ich habe gesprochen«, sagte der Prophet schlicht.
    Das dunkelhaarige Mädchen
wandte sein Gesicht der Menge zu. »Morgen ist Samstag«, verkündete sie mit
klarer Stimme. »Bei Sonnenaufgang wird keine Anbetung stattfinden. Aber zum
Sonnenuntergang ruft euch der Sonnengott wieder zusammen.«
    Sie senkte den Kopf und schien
in Gedanken zu versinken. Vielleicht überlegte sie auch, ob sie nicht bei
Minskys Revue in Las Vegas mehr Geld verdienen könnte. Ich hätte ihr in jedem
Fall zugeredet.
    Langsam begann sich die Menge
zu zerstreuen. Ich zündete mir eine Zigarette an, inhalierte tief und fragte
mich, wie ich zu einem Drink gelangen könne. Jemand tippte mich sachte auf die
Schulter. Ich drehte mich um und sah einen Mann von mittlerer Größe, der einen
makellosen Anzug aus schillerndem Blau trug. Er hatte hübsches, welliges
braunes Haar und einen gepflegten Schnurrbart.
    »Lieutenant Wheeler?« fragte er
höflich.
    »Stimmt«, sagte ich.
    »Erlauben Sie, daß ich mich
vorstelle, Lieutenant. Mein Name ist Ralph Bennett. Ich bin der Geschäftsführer
hier.«
    »Sie meinen, Sie sind der Mann,
der über den Profiten des Propheten wacht?«
    Er zuckte nicht einmal
zusammen. »So kann man es nennen, wenn Sie wollen«, sagte er gelassen. »Ich
dachte, daß Sie, wenn Sie schon einmal hier sind, sich vielleicht umsehen
wollen. Deshalb sind Sie vermutlich gekommen?«
    »Ein Rendezvous hat er das
genannt«, bemerkte Annabelle laut. »Ist es das, was Sie als eine Kombination
des Nützlichen mit dem Angenehmen bezeichnen, Lieutenant?«
    »Es wird den Lieutenant
bestimmt nicht lange in Anspruch nehmen«, sagte Bennett
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher