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Die Witwe

Die Witwe

Titel: Die Witwe
Autoren: Carter Brown
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Candy folgte
mir und holte mich ein paar Sekunden später ein.
    »Na gut«, sagte sie. »Nun zeig
mir das Loch im Kopf!«
    »Du stehst direkt daneben!« Ich
tätschelte den Altar beinahe liebevoll.
    »Das hier?« Sie wies auf den
Altar. »Du bist verrückt.«
    »Er stand oben auf dem Altar«,
sagte ich. »Der Rauch stieg plötzlich vor ihm empor, so daß man weder ihn noch
den Altar mehr sehen konnte. Als sich der Bauch gelegt hatte, war der Prophet
verschwunden. Aber der Altar stand noch da.«
    »Wie soll er in dieses Ding
hineingekommen sein? Es ist massiv«, sagte Candy zweifelnd.
    »Wir wollen einmal ein wenig
von der Logik anwenden, mit der du so freizügig um dich geworfen hast«, sagte
ich. »Das ist der einzige Ort, an den er gegangen sein kann — deshalb kann er
nicht massiv sein, auch wenn er so aussieht.«
    »Ist das logisch?« sagte Candy
hilflos.
    »Er muß ihn von oben her
geöffnet haben«, sagte ich. »Er stand darauf, und es muß ihm möglich gewesen
sein, sich geradewegs hineinfallen zu lassen.«
    Ich ließ den Strahl der
Taschenlampe langsam über die Oberfläche des Altars gleiten, vor allem über den
Rand. In der dritten Ecke fand ich schließlich, was ich suchte — eine winzig
kleine Erhebung. Ich drückte mit dem Daumen darauf.
    »Al?« kreischte Candy
hysterisch, »er öffnet sich!«
    Die in Angeln hängende
Oberfläche des Altars fiel lautlos nach unten. »Ein sehr raffinierter
Mechanismus«, sagte ich bewundernd.
    Der Deckel hing nun vertikal an
der Innenwand der einen Altarseite hinab. »Siehst du, wie dick diese Seiten
sind?« sagte ich. »Keiner, der das Ding von außen gesehen hat, hätte auf den
Gedanken kommen können, daß es innen hohl ist. Der Prophet hat hier wirklich
ganze Arbeit geleistet.«
    »Al!« Candys Stimme klang
enttäuscht. »Es ist leer!«
    »Wen hast du hier drinnen
erwartet — Dracula?« fragte ich. »Ich habe dir gesagt, ich würde dir das Loch
im Kopf zeigen — das Gehirn hat ihn schon vor einiger Zeit verlassen, nehme ich
an.«
    »Wart mal!« Sie packte
plötzlich meinen Arm. »Was ist das — dort in der Ecke? Etwas Weißes.«
    Ich leuchtete mit der Lampe
hinunter. In der Ecke lag ein säuberlich zusammengefaltetes Stück Papier. Ich
mußte in den Altar hinunterklettern, um es zu bekommen.
    »Was ist es?« fragte Candy
ungeduldig. »Steht etwas darauf?«
    Ich kletterte wieder aus dem
Altar heraus und entfaltete das Papier im Schein der Taschenlampe. Lieutenant Wheeler war quer
darüber geschrieben.
    »Es ist an dich adressiert!« sagte
Candy aufgeregt.
    »Wahrscheinlich das Grab einer
meiner mumifizierten Vorfahren«, brummte ich. »Oder Daddy.«
    Ich begann zu lesen:
     
    Lieutenant
Wheeler, ich nehme mit Sicherheit an, daß Sie der erste sein werden, der diesen
Zettel findet. Ich habe zwei angstvolle Stunden verbracht, in denen ich mir
überlegte, wie lange Sie wohl brauchen würden, um das anscheinende Paradoxon zu
klären. Hoffentlich so lange, daß die Dunkelheit anbrechen wird und ich mit
meinem kostbaren Koffer für alle Zeiten von hier verschwinden kann. Bennett war
so nett, ihn hier heraufzuschaffen. Er soll mich in Miami treffen. Unnötig zu
sagen, daß ich nicht dort sein werde. Wußten Sie, daß er mich sogar bei diesen
Hamburger-Ständen beschwindelt hat?
    Ihre
Vernehmungen habe ich genossen, Lieutenant. Ihr Zynismus bildete einen
ausgezeichneten Schleifstein zur Schärfung meines Mystizismus. Ich hoffe, daß
Sie Ihren Mörder finden, ich bin sogar davon überzeugt. Leider werde ich, falls
wir einander wieder begegnen sollten, nicht in der Lage sein, Sie zu begrüßen.
    Herzliche
Grüße vom Propheten
    (nun
bartlos und bekleidet)
     
    Ich faltete den Zettel wieder
sorgfältig zusammen und steckte ihn in die Jackentasche.
    »Na«, sagte Candy, »der hat
vielleicht Nerven!«
    »Kann man wohl sagen«, antwortete
ich. »Ich würde es ja vor Sheriff Lavers nicht laut aussprechen, aber ich
hoffe, er kommt in den vollen Genuß seiner achtzigtausend. Und ich hoffe, daß
Bennett lange Zeit in Miami auf ihn warten wird.«
    Wir kehrten zum Wagen zurück
und stiegen ein. Ich ließ den Motor an, und wir fuhren langsam auf die Straße
hinaus.
    »Ich habe das Gefühl, als ob
Bald Mountain nie mehr ganz dasselbe sein wird wie vorher«, sagte ich.
    »Solange ich nicht mehr hier
heraufkommen muß, ist es mir egal, was mit ihm passiert«, sagte Candy. »Al?«
    »Hm?«
    »Woher kam der Rauch?«
    »Ich beobachtete ihn, als er
durch die Menge zum Altar ging«, sagte
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